Vermittlungsgespräche

Kosovo-Gipfel in Washington geplatzt

Avdullah Hoti.
Avdullah Hoti.(c) APA/AFP/ARMEND NIMANI
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Kein serbisch-kosovarisches Treffen im Weißen Haus nach Anklage gegen Thaçi.

Den Haag. Nach Hashim Thaçi nun auch Avdullah Hoti: Der Ministerpräsident des Kosovo sagte seine Teilnahme an den Gesprächen mit Serbien in Washington ab. Ob der serbische Präsident, Aleksandar Vučić, in die USA reisen wird, stand am Donnerstag noch nicht fest, doch die Vermittlungsgespräche zwischen Serbien und dem Kosovo scheinen zunächst auf Eis zu liegen. Das Treffen zur Normalisierung der Beziehungen hätte ein außenpolitischer Coup des Weißen Hauses sein sollen, da die von der EU moderierte Annäherung zwischen Belgrad und Prishtina seit zwei Jahren stockt.

Vor Hoti hatte der kosovarische Präsident Thaçi seine Teilnahme abgesagt: Die Sonderstaatsanwaltschaft in Den Haag erhob Anklage gegen ihn wegen Kriegsverbrechen – sie muss noch von einem Richter bestätigt werden. Thaçi war Mitbegründer der paramilitärischen UÇK; Den Haag wirft ihm in einer zehn Punkte umfassenden Anklage Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vor. Er soll unter anderem verantwortlich für fast 100 Morde sein. Während des Kosovo-Krieges (1998 bis 1999) wurden mehr als 13.000 Menschen getötet. Im Jahr 2008 erklärte der Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien, wobei Belgrad dies nicht anerkennt.

EU zeigt sich zuversichtlich

Das Sondertribunal wurde 2015 eingerichtet, auf Druck von Washington und Brüssel und gegen den ausdrücklichen Willen der ehemaligen UÇK-Kreise. Seit dem vergangenen Jahr sind es denn ehemalige Mitglieder der „Befreiungsarmee des Kosovo“, die eine Vorladung nach der anderen aus Den Haag erhielten. Kadri Veseli etwa, der den UÇK-Geheimdienst geleitet hat und später Parlamentspräsident wurde. Sowohl er als auch Thaçi sind in der durchaus umstrittenen Partei PDK, die aus dem Dunstkreis des UÇK entstand. Das Haager Sondertribunal klagt Veseli ebenfalls an.

Während die Zukunft der Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo in den USA ungewiss ist, zeigt sich Brüssel zuversichtlich, dass ihr Dialog Bestand haben wird – trotz der Anklage gegen Thaçi. Der neue EU-Vermittler Miroslav Lajčák war jüngst in Prishtina und Belgrad unterwegs, Avdullah Hoti hielt sich bis zu der Nachricht aus Den Haag in Brüssel auf. Erste Vorgespräche sollen Mitte Juli stattfinden. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2020)

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