Filmkritik

Das zarte Porträt einer toxischen Beziehung

Park Circus
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Joanna Hoggs Drama „The Souvenir“ ist im Gartenbaukino zu sehen.

Eine gekachelte Spiegelwand. Das Stiegengeländer aus Korbgeflecht. Hölzerne Klappsessel: Die britische Regisseurin Joanna Hogg hat für ihren jüngsten Film „The Souvenir“, der gerade im Wiener Gartenbaukino zu sehen ist, ihre eigene Studentenwohnung aus den 1980ern rekonstruiert. Hier spielt sich der Großteil ihres semi-autobiografischen Dramas ab: die Geschichte einer Filmstudentin, die ihre künstlerische Handschrift sucht – und in eine obsessive (heute würde man sagen: toxische) Beziehung rutscht.

Eine wackelige Handkamera schwebt zu Beginn durch eine Studentenparty, bei der die junge Julie von ihren Ambitionen als Filmemacherin erzählt: eine ruhige Frau mit der zarten Eleganz einer Lady Diana, einnehmend gespielt von Honor Swinton Byrne (Tochter von Tilda Swinton, die auch hier die wohlhabende Mutter spielt, und Patenkind der Regisseurin Hogg). Fragmentarisch gibt „The Souvenir“ Einblicke in ihren Alltag. Und plötzlich ist da Anthony (Tom Burke), ein kultiviert wirkender, etwas älterer Mann, der Julie schmeichelt mit seiner mysteriösen, etwas gönnerhaften Art.

Immer zahlt sie im Restaurant

Dass er ein zerstörerisches Geheimnis hat, ahnt man schnell, auch Julie weiß es wohl, als sie sich schon daran gewöhnt hat, jedes Mal die Rechnung in den noblen Restaurants zu bezahlen und Anthony, der oft stunden- oder tagelang verschwindet, Geld zu leihen, das sie nie zurückbekommt. In pastellfarbenen, grobkörnigen Bildern, die so intim wie künstlich wirken, leuchtet Hogg die Entwicklung einer Frau aus, die versucht, so lang wie möglich die Augen zu verschließen vor einer Wahrheit, die sie längst begriffen hat.

Die helle Wohnung im Londoner Stadtteil Knightsbridge, wo auch das Kaufhaus Harrods liegt, wird zum Schauplatz verzagter Annäherungen, angeregter Diskussionen über Kunst und Politik, aber auch banger Momente des nächtlichen Wartens – ein Refugium, in dem sich Julie nicht mehr sicher fühlen kann. Und ein Symbol des Zwiespalts, in dem Julie künstlerisch steckt: Sie will einen Film über die Härte des Lebens in einer Hafenstadt drehen. Doch steckt sie nicht viel zu sehr im eigenen Privileg fest?

Es ist ein melancholischer, bisweilen spröder Film, benannt nach Jean-Honoré Fragonards Gemälde „The Souvenir“, das Julie und Anthony im Museum betrachten: Eine junge Frau ritzt den Namen ihres Geliebten in einen Baum. Sieht sie traurig aus? Entschlossen? Julie und Anthony sind sich nicht einig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2020)

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