Museum

Die Coronabank im Zeitgeschichte Museum

Haus der Geschichte, Archivbild, 2018.
Haus der Geschichte, Archivbild, 2018.(c) APA/KLAUS PICHLER
  • Drucken

Das Haus der Geschichte hat in der Coronapause die Dauerausstellung verändert: Sie ist aufgelockert, nachvollziehbarer und personenbezogener geworden. Ibiza-Affäre und Coronakrise sind auch vertreten.

Willkommen im Heute! Da ist das Sperrschild eines Kinderspielplatzes, abgerissen von frustrierten Eltern. Eine von einem Künstler gemachte „Covid-Abstandsbank“ – ein Meter Länge der Sitzfläche ist ausgesägt. Da ist ein Fläschchen des als Coronamedizin erprobten Mittels Remdesivir. Ein Schild zeigt Corona-Verhaltensregeln bei der Suppenausgabe der Caritas. Natürlich fehlen auch Mundschutzmasken nicht und ein Corona-Tagebuch. Das alles im Haus der Geschichte, dem ersten zeitgeschichtlichen Museum der Republik. Ja, wir erlebten in diesem Frühjahr künftige Zeitgeschichte, Generationen werden noch darüber lernen.

Zur Zeitgeschichte werden in einigen Jahrzehnten auch die „Fridays-for-Future“-Demos gezählt werden, die hier in Plakaten und Transparenten repräsentiert sind. Ob das auch für die Ibiza-Affäre gilt? Zu sehen sind im Haus der Geschichte jedenfalls neuerdings Blätter mit handschriftlichen Notizen, die sich die deutschen Journalisten Obermayer und Obermaier während des Betrachtens des Ibiza-Videos gemacht haben – sowie ein USB-Stick, auf dem ihnen eben dieses übergeben wurde. Größer ist hier wohl der aktuelle Kuriositäts- als der Erinnerungswert, aber wenn auch: All diese neuen Objekte taugen ohnehin mehr als Diskussionsanstoß – wo beginnt Zeitgeschichte, und wer entscheidet, was dazugehört?

Offener und weniger verwirrend

Weit mehr Substanz haben andere Neuerungen, denen das Haus der Geschichte seine Dauerausstellung unterzogen hat – mit eindeutig positivem Effekt, vor allem im ersten Teil der Ausstellung. Der Aufbruch in die Republik wird im Eingangsbereich jetzt personenbezogener vorgestellt: Porträts repräsentativer, zugleich dennoch nicht so erwartbarer Akteure dieser Zeit sind jetzt querbeet im Raum aufgestellt – von Maria Toth, die ihre Erinnerungen als Ziegelarbeitertochter aufschrieb, über Sozialpolitikerin und Ordensgründerin Hildegard Burjan bis hin zu Leopold Wölfling, dem ehemaligen Habsburger Erzherzog, der um 1900 auf alle seine Titel verzichtete und mit dem Kaiserhaus brach. Den Informationen zu Kelsens Verfassung ist ein neues Video beigefügt – mit Van der Bellens Rede über „die Eleganz, ja die Schönheit der Verfassung“ (auch wenn dieses Lob genau genommen den die Macht des Bundespräsidenten erweiternden Veränderungen von 1929 gilt, nicht Kelsens Version).

Die wohltuendste Veränderung aber ist die inhaltliche und damit auch räumliche Auflockerung am Beginn des großen Ausstellungsraums (den optisch nach wie vor das Waldheim-Pferd dominiert): Statt des gedrängten, die chronologische Ordnung durchbrechenden Überblicks über mehrere Jahrzehnte Wirtschaft haben die Kuratoren nur die 20er- und 30er-Jahre hier belassen – und den Rest nach hinten verlagert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.