Studie

Finanzinvestoren entwickeln verstärktes Desaster-Bewusstsein

Aktienkurse von Firmen, die stärker von Social Distancing betroffen sind, haben in der Krise massiver gelitten.

Die Coronakrise hat auch an den Finanzmärkten tiefe Spuren hinterlassen - nicht nur mit kurzfristigen Kurseinbrüchen, sondern auch durch langfristige Veränderungen. So kehrt laut einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) bei den Investoren ein verstärktes Bewusstsein für mögliche Desaster ein. Dieses Bewusstsein sorge für Umschichtungen.

"Was unsere Evidenz auf jeden Fall zeigt, ist, dass das Bewusstsein für Desaster und Pandemien größer ist", sagte Christian Wagner, Professor am Institut für Finance, Banking und Insurance und einer der Studienautoren, zur APA. Werte aus Sektoren, die gegenüber der Pandemie und dem "Social Distancing" besonders verwundbar waren - also vor allem die Tourismus- und Gastronomiebranche, aber auch die Luftfahrt - traf es nach dem Ausbruch des Coronavirus am härtesten. Die Aktien von weniger betroffenen Unternehmen - beispielsweise Technologiekonzernen wie Apple oder Microsoft - konnten sich dagegen deutlich rascher vom ersten Schock erholen.

"Die stärker von Social Distancing beeinflussten Branchen wie der Tourismus hatten im Untersuchungszeitraum zwischen 24. Februar und 20. März 2020 um rund 10 Prozent mehr Wertverlust als weniger betroffene Unternehmen", so Wagner. Konzerne, die als krisenfester galten, weil sie ihre Arbeitskräfte leicht auf Teleworking und Home-Office umstellen konnten, haben dagegen besser performt.

Bewusstsein für Bedrohungen

Auch wenn man mehrere Jahre zurückblicke, wiesen Unternehmen, die derartige arbeitstechnische Vorteile aufwiesen, eine bessere Performance am Markt auf als die Aktien weniger Pandemie-resilienter Firmen. Die Autoren gehen daher davon aus, dass sich bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus am Markt ein gewisses Bewusstsein für derartige Bedrohungen gebildet haben könnte. Schließlich hätten auch einflussreiche Personen wie Bill Gates und Barack Obama bereits vor einigen Jahren in öffentlichen Reden auf die Gefahren einer weltweiten Pandemie aufmerksam gemacht, so Wagner.

Es gebe darüber hinaus Anzeichen, dass dieses Desaster-Bewusstsein auch in die zukünftigen Erwartungen der Investoren einfließe. Dies sehe man gut im Derivatehandel, wo auf zukünftige Kursentwicklungen gewettet werde. So sei die Risikoprämie für eher krisenfestere Unternehmen in einem Zeithorizont über die nächsten zwei Jahre hinweg deutlich geringer als für weniger widerstandsfähige Firmen. Eine hohe Risikoprämie bedeutet, dass ein Investor nur dann bereit ist in ein Unternehmen zu investieren, wenn der Preis extrem niedrig ist - also wenn er eine hohe Rendite für sein eingegangenes Risiko erwarten kann.

Investoren schichten also nach und nach in Branchen um, in denen die Unternehmen als krisenresilienter gelten. Auch im Arbeitsmarkt - also in der Realwirtschaft - seien Umschichtungen in widerstandsfähigere Branchen zu beobachten, so Wagner. Dies manifestiere sich unter anderem in der Verschiebung in Berufsbildern - beispielsweise wenn ein Kellner oder Küchengehilfe zum Essenslieferanten werde.

Derartige Umschichtungen könnten jedenfalls als Signal interpretiert werden, dass für weniger krisenfeste Wirtschaftszweige ein Schrumpfen erwartet wird, heißt es in der Studie. Dadurch erhöhe sich wiederum das wirtschaftliche Risiko für Unternehmen in diesen Sektoren. Dieses Risiko sollte auch bei zukünftigen Sanierungs- und Hilfsplänen für die Wirtschaft mitberücksichtigt werden, so die Autoren.

Für ihre Untersuchung haben die Autoren rund 3600 börsennotierte US-Konzerne im ersten Quartal 2020 analysiert - mit einem Fokus auf die Periode vom 24. Februar bis zum 20. März, sowie den Zeitraum 2014 bis 2019 - und haben die Unternehmen je nach Betroffenheit durch Social Distancing klassifiziert.

(APA)

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