Netflix-Serie

„Stateless“: Gefangen im australischen Outback

Yvonne Strahovski spielt die Flugbegleiterin Sofie Werner.
Yvonne Strahovski spielt die Flugbegleiterin Sofie Werner.(c) BEN KING/NETFLIX (BEN KING/NETFLIX)
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Eine Frau, die aus dem Land nur flüchten möchte, zwischen Asylsuchenden, die mit allen Mitteln hineinkommen wollen: Netflix hat eine fesselnde, exzellent gespielte neue Miniserie im Programm. In einer Nebenrolle und als Koproduzentin dabei: Cate Blanchett.

Rote Erde, flirrende Luft und Menschen, die warten. Darauf, dass sie ein Leben in Australien beginnen dürfen, oder sie, weitaus wahrscheinlicher, abgeschoben werden. Das Leben im dem australischen Internierungslager, in dem die Serie „Stateless“ spielt, verläuft schleppend. Ab und zu machen Migranten, die dort interniert sind, auf sich aufmerksam. Etwa zwei junge Tamilen, die auf das Dach einer Baracke geklettert sind und mit ihren „Help“-Plakaten ein gutes Motiv für Fotos von oben abgeben. Warum sitzen sie seit Tagen dort oben und drohen mit Selbstmord? Vielleicht, weil sie nichts zu tun haben, meint die Dame von der Einwanderungsbehörde, die kürzlich geschickt wurde, um zu kalmieren. Nein, erwidert der Verantwortliche vor Ort. Sie warten einfach schon seit vier Jahren auf einen Bescheid, wie es mit ihnen weitergeht.

Zwischen den dunkelhäutigen Menschen sticht eine blonde Frau heraus, alles an ihr ist westlich. Desorientiert steht sie im Staub, beobachtet die Mitgefangenen. Ihre Geschichte nimmt eine zentrale Rolle in der vom australischen Sender ABC produzierten Miniserie ein, die seit Donnerstag auf Netflix läuft. Und man fragt sich: Ist das notwendig? Braucht man eine psychisch labile Weiße in einem Lager; reicht das sehr reale Leid der Asylwerber nicht, um den Zuschauer zu fesseln? Wie passt diese Frau, die durch eine Selbsthilfe-Sekte traumatisiert wurde, an diesen unwirtlichen Ort? Aber der Kontrapunkt gelingt: Auf der einen Seite die vielen, die ins Land hineinkommen wollen. Auf der anderen die bizarre und von einem wahren Fall inspirierte Geschichte der Flugbegleiterin Sofie Werner (großartig: Yvonne Strahovski), die weg will aus diesem Land, weil sie glaubt, dann endlich persönliche Freiheit zu erlangen.

Hier ist es hell, heiß, hoffnungslos. Die Beamtin soll zwei Tamilen vom Dach holen,  damit es keine häßlichen Bilder gibt.
Hier ist es hell, heiß, hoffnungslos. Die Beamtin soll zwei Tamilen vom Dach holen, damit es keine häßlichen Bilder gibt.(c) LISA TOMASETTI/NETFLIX (LISA TOMASETTI/NETFLIX)

Die Bildern aus dem Lager brennen sich ein. Gleißend helle Sonne, karge Räumlichkeiten. Die Menschen sind zurückgeworfen auf sich selbst. Der neue Wachmann Cam Sandford (Jai Courtney) will Gutes tun und hängt den Kindern Schaukeln auf, wofür er vom Chef verlacht wird. Die Gefangenen könnten die ja zum Galgen umfunktionieren. Das Lager ist kein Ort für unbefangene Kinderspiele, die Verzweiflung ist spürbar – und eine größere Protestaktion, vielleicht ein Aufstand. "Sie riechen vielleicht nach Patschuli, aber sie können zuschlagen", warnt eine Wachbeamtin, und scheint sich darauf zu freuen. Die Uniformierten legen gepanzerte Kleidung an, greifen nach Helmen, Schlagstöcken, Schilden. Sie rüsten sich für eine Schlacht. Dass es auch ein Krieg um Bilder und öffentliche Aufmerksamkeit ist, ist ihnen nicht klar.

Lager wie das in der Serie gezeigte gibt es in Australien mittlerweile nicht mehr; Flüchtlinge, so sie nicht bei der Einreise gestoppt werden können, interniert man nun auf Inseln. „Stateless“ zeigt die Menschenverachtung von Schleppern, das Elend auf der Flucht, das Zerreißen von Familien. Die Serie klagt eine Flüchtlingspolitik an, die sich von Problemen abwendet, sie nur aus dem Blickfeld wischen will. Aber sie gibt keine einfache Antwort, stellt keine billige Lösung in Aussicht. Vielmehr geht es um die Frage, wie sich Einzelne verhalten. Die Figuren sind in ihrem Egoismus und Opportunismus, in ihrer Ratlosigkeit und ihrer wechselnden Anteilnahme fein gezeichnet. Etwa Amir, der Afghane, um dessen Familie man zittert und dessen Handlungen erst im Rückblick klar werden. Oder Cate Blanchett, die die Serie koproduzierte und die in ihrer Rolle als Guru im pinken Trainingsanzug ebenso abstoßend ist wie ihr Serien-Ehemann Dominic West (bekannt aus „The Wire“). Jedenfalls sehenswert.

Man schließt sie ins Herz: Amir und seine Familie.
Man schließt sie ins Herz: Amir und seine Familie.(c) COURTESY OF NETFLIX (COURTESY OF NETFLIX)

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