Das weltweit erste Frauenmuseum steht in Hittisau im Bregenzerwald.
Vorarlberg

Frauenpower im Bregenzerwald

Erstaunlich eigentlich, dass das weltweit einzige Frauenmuseum in einem bäuerlich geprägten Raum steht, im Dörfchen Hittisau, und heuer schon sein 20. Jubiläum feiert.

Schon die Fahrt in den Bregenzerwald ist ein Genuss. Zwischen mit bunten Blumen geschmückten Holzhäusern, sattgrünen Wiesen, auf denen braune Kühe grasen, überragt von hohen Bergen. Unser Ziel ist das Dorf Hittisau, das, obwohl es nur 2000 Einwohner hat, über die Grenzen hinaus bekannt ist. Es beherbergt das einzige Frauenmuseum Österreichs und weltweit das einzige im ländlichen Raum.

Moderne Architektur in bauhistorischer Nachbarschaft. Der Museumsbau von cukrovicz.nachbaur architekten steht inmitten von klassischen Wäder-Häusern.
Moderne Architektur in bauhistorischer Nachbarschaft. Der Museumsbau von cukrovicz.nachbaur architekten steht inmitten von klassischen Wäder-Häusern.Christoph Lingg/Bregenzerwald Tourismus

Neben den traditionellen Wälderhäusern stehen etliche supermoderne Häuser namhafter Architekten. Die Ortsmitte prägt die mächtige Dorfkirche Hl. Drei Könige aus dem 19. Jahrhundert. Da sie schlicht ausgestattet war, wünschte sich der Pfarrer Josef Meusburger ein Deckenfresko. Erstaunlich eigentlich, dass sich das Dorf mitten im Krieg den Münchner Maler Waldemar Kolmsperger leisten konnte, der zwei Höllenszenen malen wollte. Man einigte sich schließlich auf das Jüngste Gericht. Unten in der Hölle hatte der Maler den britischen Premierminister Winston Churchill mit einem Sack Geld abgebildet – was die Dorfbewohner beunruhigte. Sie fürchteten die Zerstörung ihrer Kirche durch die Engländer. So veränderte der Maler Churchill, indem er ihm rote Haare verpasste.Unweit der Kirche steht wiederum ein sehr modernes Gebäude. Seine helle, leichte Konstruktion aus Holz und Glas ist typisch für die moderne Bregenzerwälder Holzbauarchitektur (cukrovicz.nachbaur architekten). Die riesigen Glasfenster, die bis zum Boden reichen, beziehen Bäume und Berge mit in den Raum ein. Als man im Jahr 2000 ein Gebäude für Feuerwehr und Kultur plante, hatte die aus Hittisau stammende Kunsthistorikerin und Museumskuratorin Elisabeth Stöckler die Idee für ein Museum, in dem Frauengeschichte und Frauenkultur erforscht, ausgestellt und vermittelt werden. Nachdem sie es eine Zeit lang erfolgreich geführt hatte, folgte sie einem Ruf nach Liechtenstein. 2009 übernahm die Kunsthistorikerin Stefania Pitscheider Soraperra die Leitung. Sie ist in Brixen/Italien geboren und hat vorher in der Kunsthalle von Wien, im Kunsthistorischen Museum Wien und der Shedhalle Sankt Pölten gearbeitet und die ArtDesign in Feldkirch geleitet. Neben ihr als Museumdirektorin und zwei Assistentinnen sind fünfzehn Kulturvermittlerinnen aus der Region, zwischen 17 und 76 Jahren alt, im Museum tätig.

„Da schauen sie“

Unter dem Motto „Da schauen sie“ feiert das Frauenmuseum heuer sein 20-Jahr-Jubiläum. Das Motto entstand, als Kulturvermittlerin Sabine Heinzle einen Münchner Universitätsprofessor durch die Ausstellung „Frau am Kreuz“ führte und er sie, von ihrer Kompetenz beeindruckt, fragte, welche Ausbildung sie habe. Sie antwortete: „Ich bin Bäuerin.“ Der Professor war sprachlos. Sabines Kommentar: „Da schauen Sie!“ Im Frauenmuseum wird Inklusion und Partizipation tatsächlich gelebt. Das Sprechen-Dürfen ist weder an eine akademische Ausbildung noch an die Position im Team gebunden. Das Thema der Ausstellung, „Geburtskultur, vom Gebären und Geborenwerden“, geht uns alle an. Sie beleuchtet den Umgang mit dem Start ins Leben sowie jene Rahmenbedingungen, in die eine Geburt eingebettet wird. Die Ausstellung spannt einen Bogen von der Geschichte des Gebärens über weltweite Geburtsrituale bis hin zu aktuellen Debatten rund um Reproduktionstechnologien. Zeitzeuginnen und -zeugen schildern ihre Erfahrungen als Mütter und Väter.

„Raum für Geburt und Sinne"

Zeitgenössische Kunst vertieft das Thema. Sehr interessant ist auch das Projekt „Raum für Geburt und Sinne“. Auf einer nahen Wiese steht der Prototyp eines neuartigen Gebärraums. Der mit kleinen Schindeln bedeckte Bau besteht aus Lehm, einem Material, das Fremd- und Schadstoffe bindet, Wärme speichert, weltweit verfügbar ist und der Natur jederzeit zurückgegeben werden kann. Finanziert wurde das Projekt durch eine einzigartige Crowdfunding-Aktion. Stark im Ort und in der Region verankert, strahlt das Frauenmuseum Hittisau weit über die regionalen Grenzen aus. Durch die Wahl seiner Themen ist es auch ein Fenster zur Welt. Und ein fester Bestandteil der Vorarlberger Kulturlandschaft. So erhielt es im Jahr 2017 den Österreichischen Museumspreis verliehen.

Ausstellung bis 18. April 202; Di bis So 10-17 Uhr, www.frauenmuseum.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2020)

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