Analyse

Austrias verkehrte Fußballwelt

Das Siegerlächeln dieser Saison: Hartberg-Präsidentin Brigitte Annerl feiert den erstmaligen  Europacup-Start ihres Klubs.
Das Siegerlächeln dieser Saison: Hartberg-Präsidentin Brigitte Annerl feiert den erstmaligen Europacup-Start ihres Klubs.(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Hartberg spielt erstmals im Europacup und Favoriten hat abermals das Nachsehen. Management und Trainer können durchaus harmonieren, nicht immer liegt es bloß am Geld.

Wien. Hartberg, eine Stadt mit 6687 Einwohnern und einem Fußballklub, der seit zwei Jahren in der Bundesliga mitspielt, feiert die erstmalige Teilnahme am Europacup. Der von Präsidentin und Pharma-Unternehmerin Brigitte Annerl geführte Klub zählt stolze 320 Mitglieder, wähnt sich zu Recht als Überraschung dieser Saison und wartet nun voll der Vorfreude auf sein Los.

Austria hingegen, immerhin 24-mal Meister und mit dem Anspruch eines großen Traditionsvereins unterwegs, hat mit dem 0:0 im Playoff-Rückspiel zum vierten Mal in sieben Jahren das internationale Geschäft klar verpasst. Zurück bleibt eine Saison voll Ausreden, Leerläufen und Ernüchterungen, aber immerhin der endgültigen Gewissheit, dass sich im Kader, bei dessen Stil und getrost auch im Trainerbereich etwas ändern muss, will man am Verteilerkreis irgendwann wieder Erfolg haben.

Kleinster Klub, kleinster Etat

Es ist eigentlich eine verkehrte Fußballwelt. TSV Hartberg, anfangs als Dorfklub verspottet und jetzt als giftiger Außenseiter gefeiert, machte klar, mit welchen Mitteln Behäbigkeit, Misswirtschaft und fehlende Vision großer Klubs aufgezeigt werden können. Für Wien ist es übrigens ein Déjà-vu: Im Vorjahr scheiterte auch Rapid im EC-Playoff. Austria war jedoch als Sechster keineswegs besser.

Während sich in Favoriten sehr viel ändern wird, wie Sportvorstand Peter Stöger erklärte, muss Annerl in Hartberg danach trachten, dass sich so wenig wie möglich verändert. Nach 21 Runden war der Klassenerhalt geschafft, dreizehn Punkte der Meistergruppe lassen aufhorchen. Dass Hartberg der Klub mit dem kleinsten Budget der Zwölferliga ist, es sind 4,3 Millionen Euro, muss gesondert betont werden in einer Branche, die gemeinhin davon ausgeht, dass Geld Tore schießt.

Weil die ob der Coronakrise nur in einem Spiel stattfindende EL-Qualifikation (2. Runde) ohne Zuschauer steigen wird – siehe Profil – möchte Annerl, so das Los das Heimrecht sichert, unbedingt im maximal-beschaulich anmutenden Hartberg-Stadion spielen. Dass Austrias neues Stadion für über 50 Millionen Euro samt „Überbrückungskrediten“ ob fehlender Pachtüberschreibungen für zig Mietwohnungen den Hauptanteil an der Finanz- und Sportmisere der Wiener trägt, passt ebenso in dieses Bild verkehrter Welten.

Fehlentwicklung, Flop, schwacher Kick – nicht nur Stöger vermisste im Spiel von Trainer Christian Ilzer die nötige Dominanz. Violett war ein Muster der Harmlosigkeit, dass sich der Vorstand da nicht die Trainerfrage stellt, irritiert. Mit dem vorhandenen Personal bloß „anders spielen“ zu wollen, klingt zu höflich. Ohne neue Spieler wird Austria nie anders, geschweige denn besser spielen.

ÖFB-KLUBS IM EUROPACUP

Wer spielt wann in welchem Bewerb? ► Salzburg: Champions-League-Play-off, 22./23. und 29./30. September.

Rapid: 2. Runde Champions-League-Qualifikation, 25./26. August (1 Spiel).
WAC: Europa-League-Gruppenphase, Fixstart ab 22. Oktober.
Lask: Europa-League-Qualifikation, 3. Runde, 24. September (1 Spiel).
Hartberg: EL-Qualifikation, 2. Runde, 17. September (1 Spiel).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2020)

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