Umstrittener Prozess

Russland: Gulag-Forscher zu Haftstrafe verurteilt

Jurij Dmitrijew wurde der Missbrauch seiner Adoptivtochter vorgeworfen. Der Fall wurde nach seinem Freispruch neu aufgerollt. Heute, Mittwoch, erging das Urteil.

Moskau. Der russische Historiker Jurij Dmitrijew wurde am Mittwoch zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht in der Stadt Petrosawodsk sah es als erwiesen an, dass er seine Adoptivtochter sexuell missbraucht hat. Unterstützer Dmitrijews hatten den Prozess als fabriziert bezeichnet; er selbst hat die Tat stets bestritten.

Das Urteil ist angesichts der von der Staatsanwaltschaft früher geforderten 15-jährigen Freiheitsstrafe vergleichsweise mild. Da Dmitrijew schon länger in U-Haft sitzt, wird er vermutlich noch heuer im Herbst das Gefängnis verlassen können.

Er habe „nie irgendwelche abscheulichen Taten“ gegen seine Adoptivtochter gesetzt, sagte Jurij Dmitrijew am Dienstag in seinen letzten Worten vor Gericht. Er habe nur versucht, seiner elterlichen Fürsorgepflicht nachzukommen.

Vorgeworfen wurde ihm, seine Adoptivtochter sexuell missbraucht zu haben. Die Umstände des Prozesses sind fragwürdig. Unterstützer Dmitrijews sind überzeugt, dass es ein politisches Motiv für die Verfolgung des 64-Jährigen gibt und der Prozess fabriziert ist. Dmitrijew hat sich mit der Auffindung von Massengräbern mit Erschießungsopfern des Stalin'schen Terrors einen Namen gemacht. Zudem war er der lokale Leiter der Nichtregierungsorganisation Memorial, die in den letzten Jahren vielfach in ihrer Arbeit behindert wird.

Freispruch vor zwei Jahren

Schon seit einigen Jahren ist Dmitrijew im Visier der Justiz. Im April 2018 wurde er vom Vorwurf der Kinderpornografie freigesprochen. Gegenstand des Prozesses waren mehrere Fotos, die er von seiner Tochter ohne Bekleidung gemacht hatte.

Dmitrijew gibt an, diese Dokumentation aufgrund der Entwicklungsprobleme des Kindes geführt zu haben. Expertisen stellten fest, dass die Fotos keinen pornografischen Charakter hätten. Nicht lange nach seinem Freispruch hob ein anderes Gericht das Urteil auf und brachte neue Vorwürfe gegen den Historiker vor.

(som)

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