Wir waren auf alles gefasst

„Die Wiederauferstehung des veralteten ,Jedermann‘“: Will Quadflieg probt mit Ernst Lothar.
„Die Wiederauferstehung des veralteten ,Jedermann‘“: Will Quadflieg probt mit Ernst Lothar.(c) USIS/ÖNB/Picturedesk
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„Als die Premiere herankam, war ich ein Kommunist, ein Faschist, ein Salzburg entfremdeter amerikanischer Söldling, ein Reinhardt- und Hofmannsthal-Schänder.“ Jedermann 1952 – und was danach folgte: aus den Erinnerungen des Regisseurs.

Einwände gegen den ortsansässigen „Jedermann“ waren schon unmittelbar nach dem Kriege erhoben und damit begründet worden, dass nach dem Millionensterben der Tod eines Einzelnen, noch dazu eines Steinreichen, niemanden zu bewegen vermöge und dass sein bußfertiger Hingang, von nichts als einer symbolischen Jenseitsermahnung bewirkt, nicht überzeuge. Darin lag Wahres, und es hatte mich dazu bestimmt, Reinhardts Inszenierung auf dem Domplatz von seiner Witwe, Helene Thimig, verwalten zu lassen, um nichts von Glanz und Tiefe einzubüßen, die er dem Gleichnisspiel verlieh. Allein, je länger die Aufführung gezeigt wurde, desto bedenklicher schien sie an Zulauf einzubüßen – zumindest war es das, was Doktor Hilbert (Anm.: Egon Hilbert, in der Nachkriegszeit u. a. um die Reorganisation der Salzburger Festspiele bemüht) hervorhob, als er sich mit der Bitte an mich wandte, die Inszenierung selbst zu übernehmen. Sonst bestünden nur zwei Möglichkeiten: das Stück in Salzburg nicht mehr oder in einer von Reinhardt sich lossagenden, neuen Art zu spielen.

Beides schien mir unstatthaft. Ich hatte wiederholt gesagt und drucken lassen, Regisseure besäßen keine Denkmäler, die einzige Ausnahme bilde Reinhardt, sein Denkmal stehe in der Gestalt des „Jedermann“ auf dem Domplatz, von wo es nie mehr wegzudenken sei. Zur Abtragung dieses Denkmals selbst die Hand zu leihen stand für mich außer Frage; mich zu seiner Restaurierung bereitzufinden hing ebenso davon ab, ob Reinhardts Witwe dies gutheißen wie ob es mir gelingen würde, dem Hofmannsthalschen Werk durch verjüngte Neubesetzung, Striche, Unterstreichungen und auf ein Minimum beschränkte Hinzufügungen die ihm vom Moment angetane Zeitwidrigkeit zeitweilig zu nehmen und, innerhalb seiner Wesensgrenzen, Zeitbezogenheit zu geben.

Die Zustimmung Frau Thimigs sei eingeholt und erteilt worden, erfuhr ich; die von mir geplante Texteinrichtung bitte man mich, dem Verlag bekannt zu geben, der sein und der Hofmannsthalschen Erben Einverständnis würde zu erteilen haben; vorläufig möge ich meinen Besetzungsvorschlag mitteilen.

Bevor ich das eine und das andere auch nur genauer hatte erwägen können, nämlich schon am folgenden Tag, hatte sich Frau Thimig, ich erfuhr es von ihr selbst, beim Unterrichtsminister über die Salzburger Vorgänge beschwert: An ihrer angeblichen Zustimmung sei kein wahres Wort; meiner Bitte, den Glauben oder die Mutter nach ihrer Wahl zu spielen, vermöge sie nicht zu entsprechen. Keine meiner Vorstellungen fruchtete. Deshalb ersuchte ich Dr. Hilbert, jemanden anderen mit der undankbaren Regieaufgabe zu betrauen, und hatte eine den Umständen Rechnung tragende Erklärung an die Presse bereit, als ein vehementer publizistischer Angriff gegen mich erschien. Er unterschob mir eine Hofmannsthal- und Reinhardt-Entehrung, da ich den ganzen „Jedermann“ verfälschen, die Reinhardt-Inszenierung sabotieren und seiner Witwe eine beabsichtigte Kränkung zufügen wolle.

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