Verfahrenstechnik

UV-Schutz direkt aus der Natur: So macht Holz es auch

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THEMENBILD: WETTER / TROCKENHEIT / ERNTE(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Wiener Forscher holen in einem nachhaltigen Prozess Lignin aus Reststoffen der Landwirtschaft. Bäume und andere Pflanzen schirmt der Naturstoff von der Sonnenstrahlung ab, als Nanoteilchen schützt er in Lacken und Cremen gegen UV-Strahlung.

An mein Lignin lass ich nur Wasser und Ethanol. So könnte der Werbeslogan eines neuen Spin-offs der TU Wien klingen. Angela und Martin Miltner gründen demnächst mit Stefan Beisl (alle aus der Forschungsgruppe Nachhaltige Technologien und Prozess-Simulation) das Unternehmen Lignovations, um hochwertiges Lignin sinnvoll zu verwerten. Dieser Naturstoff steckt in der Zellwand von jeder verholzten Pflanze: Die langkettigen, stark vernetzten Moleküle geben Pflanzen Halt, machen Bäume widerstandsfähig und gehören neben Zellulose zu den häufigsten organischen Verbindungen der Erde.

Lignin auf Feldern und in Wäldern

„Wir arbeiten schon sehr lang mit Lignin“, sagt Martin Miltner. Das Wissenschaftsministerium fördert nun über ein Spin-off-Fellowship der Forschungsförderungsgesellschaft FFG den Weg zur Marktreife – unter Betreuung von TU-Wien-Professor Anton Friedl, der an der Verwertung von Naturstoffen (vor allem agrarischen Reststoffen) in Produkten wie Bioethanol als Treibstoff forscht. Lignin fällt nicht nur als Reststoff auf Feldern und in Wäldern an, sondern auch in riesigen Mengen als Abfallprodukt der Papier- und Zellstoffherstellung.

„Doch bei der industriellen Verarbeitung war stets das Problem, dass Lignin durch harsche chemische Behandlungen in seiner molekularen Zusammensetzung verändert wird. Meistens entstehen bei der Papierherstellung Ligninsulfonate: Und wenn einmal Schwefel drin ist, kann man nicht mehr viel damit machen“, sagt Martin Miltner. Gemeinsam mit seiner Frau setzt er auf ein Verfahren, das Lignin in reiner Form gewinnt. „Wir kochen es in Wasser und Ethanol, also Alkohol, auf: Da kommen weder Katalysatoren noch sonstige Zusatzstoffe dazu“, sagt Angela Miltner.

Wasser und Ethanol sind als Lösungsmittel harmlos und ungiftig, was eine ökologische Zertifizierung von Produkten einfacher macht. Das Ganze brodelt in einem Druckkochtopf, bis sich das Lignin auflöst und die Mischung zu einer dunklen Flüssigkeit wird: Organosolvprozess heißt dieses Verfahren in Fachkreisen.

„In unseren Laborversuchen haben wir entdeckt, dass zum Ausfällen von Lignin als Partikel wieder Wasser als Anti-Lösungsmittel reicht“, sagt Angela Miltner. Diese Innovation ist bereits als Patent eingereicht und soll durch die Einsparung an Kosten, Energie und bedenklichen Chemikalien neue Marktziele eröffnen. „Dann war die Frage, was machen wir mit dem gewonnenen Lignin“, erzählt Stefan Beisl. „In der Pflanze haben diese Moleküle viele Aufgaben und schützen gegen Umwelteinflüsse wie Niederschlag, Sonnenlicht, Oxidation und den Befall von Bakterien und Pilzen“, sagt Beisl.

„Im Gegensatz zu Lignin, das in industriellen Prozessen chemisch verändert wird, hat unser Produkt noch die gleiche chemische Struktur und dadurch noch die gleichen Eigenschaften wie in der Pflanze“, so Beisl. Nur dass die Teilchen auf Mikro- und Nanogröße verkleinert sind. „Bei bisheriger Lignin-Gewinnung waren die großen Stückerln ein Problem, weil sie sich nicht gut verteilen“, sagt Beisl. Das nun fein dispergierte („kolloidale“) Lignin dient durch seine Miniaturgröße sogar als Emulgator, der unterschiedliche ölige und wässrige Phasen verbinden kann, was wiederum für kosmetische Anwendungen sehr interessant ist.

UV-Absorption ist auffällig und nützlich

Aus der Vielzahl von Möglichkeiten, wofür man die Nanoteilchen des Lignins einsetzen kann, entschied sich das Team für den Schutz vor UV-Strahlung. „Das war logisch, denn die UV-Absorption von Lignin ist so auffällig, dass man sie sogar zum Nachweis nutzt, wie viel Lignin in einer Lösung vorhanden ist“, sagt Martin Miltner.

UVA-, UVB- und UVC-Strahlung werden von Lignin aufgefangen, und daher soll es als nachhaltige Alternative bisheriger Solarblocker in wasserlöslichen Lacken und Sonnencremen dienen.

An Ideen für weitere Anwendungen mangelt es dem Team nicht: Die antioxidativen und pilztötenden Eigenschaften im Lignin wären ideal für Nahrungsergänzungsmittel, Beschichtungen von Textilien oder pharmazeutische Anwendungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2020)

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