Quergeschrieben

Eigenverantwortung ist kein Alleinstellungsmerkmal Österreichs

Während in Österreich etliche Covid-19-Maßnahmen teils aus rechtlichen Gründen zurückgenommen werden (müssen), werden sie anderswo drastisch verschärft.

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In Wahrheit war der Babyelefant eh schon längst ausgestorben¸ als ihn der Verfassungsgerichtshof zum Abschuss freigab. Befremdlich ist allenfalls die unverhohlene Häme der Opposition über den plötzlichen Elefantentod. Der VfGH hat ein strenges Auge darauf, dass Grund- und Freiheitsrechte nicht einfach hinterrücks ausgehebelt werden: Das ist beruhigend, ebenso die einsichtige Reaktion des dafür hauptverantwortlichen Gesundheitsministers.

Und nun? Rücken wir wieder enger zusammen, pfeifen auf Vorsichtsmaßnahmen und Abstandsregeln? Wer dieser Tage im Zug von Wien nach Salzburg reist, um die unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindenden, coronabedingt modifizierten Jahrhundert-Festspiele zu besuchen, wird sich zumindest in der zweiten Klasse von seinen Nachbarn nicht immer adäquat distanzieren können. Die mollige Dame auf dem Nebensitz ist zwar ausgesprochen nett, rückt aber gefährlich nahe. Von hinten hustet einem ein maskenloser Mann in den Nacken. Man kramt den Desinfektionsspray aus der Handtasche, wischt mit dem eingesprühten Papiertaschentuch diskret die fremde Spucke weg. Und schweigt. Weil: Ein heftiger Disput über die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, der sich jüngst zwischen einer Radiojournalistin und einem 17-jährigen MNS-Verweigerer entspann, endete handgreiflich. Muss man nicht haben. Schließlich will man ja dem Jedermann nicht mit einem blauen Auge über der abendgarderobetauglichen Maske beim Sterben zusehen. Geld, Erfolg, Macht, Partysause, Mitgefühl, Fürsorglichkeit: Was ist wichtig im Leben? Hundert Jahre nach der Uraufführung im August 1920 ist das oft als katholisches Kitschwerk abgetane Stück des Festspiel-Mitbegründers Hugo von Hofmannsthal gerade in dieser diffusen Coronazeit von brennglasscharfer Aktualität.

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