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Analyse

Der Zorn der arabischen Jugend

Spannungen in den Straßen. Demonstranten stehen libanesischen Sicherheitskräften gegenüber.
Spannungen in den Straßen. Demonstranten stehen libanesischen Sicherheitskräften gegenüber.- / AFP / picturedesk.com
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In Beirut gibt es nach den Explosionen erste Proteste. Die Katastrophe ist Synonym für ein Problem der gesamten Region: Den Eliten fehlt das Bewusstsein für das öffentliche Wohl.

Tunis/Beirut. Die aufgebrachte Menge zündete Müllhaufen an und warf Steine. Die Sicherheitskräfte antworteten mit Tränengas. Dutzende Demonstranten versuchten, die Absperrung zum Parlamentsgebäude zu durchbrechen. Die Wut über die Explosionskatastrophe hat zu ersten Zusammenstößen in Libanons Hauptstadt Beirut geführt.

Die Wut hat sich lang aufgestaut. Niemand kann jungen Libanesen verdenken, dass sie keine Lust mehr haben, weiter in ihrem Land zu leben. Seit der tragischen Selbstzerstörung der halben Hauptstadt ahnt jetzt auch der letzte, dass der Libanon auf dem Weg in einen gescheiterten Staat ist. In der arabischen Welt ist Libanon damit ein besonders spektakulärer Fall, aber kein Einzelfall. Und so ist der Feuerball über Beirut auch eine Bankrotterklärung für das gesamte nahöstliche Staatsverständnis.

Den politischen Eliten fehlen gesellschaftlicher Gestaltungswille und Bewusstsein für das öffentliche Wohl. Die Mehrheit der 400 Millionen Bewohner leidet seit Jahrzehnten unter chronischem Staatsversagen – egal ob im Libanon, in Syrien, im Irak, im Jemen, Ägypten, Libyen, Algerien oder auch außerhalb der arabischen Welt im Iran. Entweder die Herrscher unterdrücken ihre Völker, zerfleischen einander in Bürgerkriegen oder lassen ihre Landsleute links liegen.

In kaum einer anderen Region existieren größere Gegensätze zwischen arm und reich. Eine dünne Clique Superreicher schaltet und waltet völlig nach Belieben, während die Mittelklassen schrumpfen und das Heer der Habenichtse, Ohnmächtigen und Rechtlosen immer gigantischer wird. Die Steuermoral ist obszön gering – vor allem in den Superluxus-Cliquen. Deren Sozialbewusstsein hat auch kein Problem damit, ein Drittel oder gar die Hälfte der Bevölkerung einfach ihrem Elend zu überlassen.

In kaum einer Nation des Nahen Ostens gibt es einen ordentlich funktionierenden öffentlichen Sektor, angefangen von der Versorgung mit Strom und sauberem Trinkwasser über staatliche Schulen und Krankenhäuser bis hin zu Müllabfuhr und Kanalisation. Politische Ämter werden vor allem verstanden als Instrumente zur privaten Bereicherung und Plünderung der öffentlichen Ressourcen. Die staatstragende Unterscheidung von privat und öffentlich gilt in der gesamten Region als wolkiger Idealismus.

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