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Sind diese Kinder "Arschgeigen"?

Martin Freeman gibt in „Breeders“ den genervten Vater, dessen Kinder nicht schlafen wollen.
Martin Freeman gibt in „Breeders“ den genervten Vater, dessen Kinder nicht schlafen wollen.2020 FX Networks
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„Sherlock“-Star Martin Freeman verarbeitet in „Breeders“ seine Erlebnisse als Vater. Mit schwarzem Humor spricht er auch heikle Themen an. Das ist übertrieben – und erfrischend.

O ja. Eltern kennen das! Papa Paul hat gerade seine Kinder zu Bett gebracht und muss sich auf eine wichtige Präsentation am nächsten Tag vorbereiten. Doch statt zu schlafen, streiten die beiden, dass man es bis nach unten hört. An Arbeit ist nicht zu denken. „Tu's nicht“, flüstert Paul sich zu, als er wutentbrannt die Treppe nimmt. „Wenn du da reingehst und rumbrüllst, dann fangen sie an zu weinen und Du hasst Dich selbst, also . . . red mit ihnen. Mach es besser, Paul. Sei besser!“ Ein Mantra, das er sich auch den Rest der Serie vorsagen muss. Nur helfen tut es nichts. „Verdammte Scheiße nochmal“, brüllt der entnervte Vater, als er die Tür aufreißt und seine Kinder im Zweikampf vorfindet. „Ich geh jetzt. Sagt Mami, dass Daddy gegangen ist, weil er den verdammten Krach nicht mehr ausgehalten hat, und wenn sie das hört, dann könnt ihr sie heulen sehen.“

Wäre „Breeders“ eine der gängigen Comedies, in denen es zwar um die Nöte des familiären Zusammenlebens geht, aber eher produktiv als knallhart gestritten wird, würde man Paul so etwas nicht einmal denken hören. Und wenn, würden die Autoren spätestens hier eingreifen und diesen unkontrollierten Rohling von einem Vater entweder durch einen schiefen Blick seiner Ehefrau zur Räson bringen oder ihn aufs Sofa seines besten Freundes verbannen, der ihm bei einer Flasche Whisky ins Gewissen redet. Das wäre der gesellschaftlich korrekte Plot. „Breeders“ ist anders. Da reden die zwei Hauptakteure einander nicht ins Gewissen. Im Gegenteil. Mutter Ally hat vollstes Verständnis für Paul. „Ich weiß, sie sind echte Arschgeigen“, sagt sie, nachdem sie das Drama mitangehört hat. „Sie stellen einen vor Entscheidungen: Mit welcher Bettdecke kann man sie wohl am besten ersticken?“ Paul weiß es: „Ich würde unsere Kinder mit der Tigerdecke ermorden.“ In solchen Momenten, wo man glaubt, man habe sich verhört, blitzt in dieser Serie eine Absurdität auf, die an den schwarzen Humor à la Monty Python erinnert.

Dabei erzählt „Breeders“ (auf Sky) im Grunde eine allen Eltern bekannte, autobiografisch gefärbte Geschichte vom Leben mit Kindern, die man bei aller Liebe trotzdem manchmal am liebsten auf den Mond schießen würde. Martin Freeman („Sherlock“, „Der Hobbit“) hat die Comedyserie kreiert und ließ eigene Erfahrungen einfließen: Er hat vier Geschwister und selbst zwei Kinder, die ihn offenbar des Öfteren zur Weißglut brachten. Auch die beiden „Veep“-Macher Chris Addison und Simon Blackwell waren an „Breeders“ beteiligt.

Kein Schlaf trotz „Raupe Nimmersatt“

Paul und Ally führen (auch miteinander) einen vulgären Spruch. Trotzdem: Sie lieben einander und die Kinder – nur machen sie (fast) alles falsch. Es ist, als würde man einem befreundeten Ehepaar dabei zusehen, wie es sich von den Juniors tyrannisieren lässt – man hätte ein paar brauchbare Tipps, aber man darf nichts sagen, weil man sonst bei der nächsten Gartenparty nicht mehr eingeladen ist. So wie die beiden das anlegen, ist es ziemlich lustig, aber es nervt auch mit der Zeit. Dass eine Vierjährige und ein Sechsjähriger die ganze Nacht nicht schlafen können oder wollen – obwohl Ally (Daisy Haggard) „Die kleine Raupe Nimmersatt“ quasi im Schlaf aufsagen kann und Paul seinem Sohn zum x-ten Mal erklärt, dass er sich im Haus weder vor Feuer noch vor Einbrechern fürchten muss –, ist doch ziemlich übertrieben. Irgendwann reicht es Paul. „Okay, wir machen's old school“ – und er fährt die Kinder im Auto spazieren, bis sie schlafen. Da muss sich bei Freeman reichlich Frust aufgestaut haben, dass er seine Nachkommen derart verewigt.

Am Rand des Nervenzusammenbruchs

Die sollten es nicht allzu wörtlich nehmen. Genauso wenig wie junge Leute, die die Familienplanung noch vor sich haben. Schließlich ist es aber auch erfrischend, wenn jemand heikle Themen derart unverfroren anspricht wie Paul, der sich auf dem Weg zum Elternsprechtag Sorgen um seine eigenen Eltern macht, die sich im Altersheim anmelden wollen: „Ich bin nicht bereit, für Mom und Dad zu sorgen. Elterntage wie dieser machen mir nichts aus, aber solche, bei denen man seinen Eltern den Arsch auswischen muss . . .“ Auch das ist ein Punkt. Nur würde ihn niemand öffentlich so ansprechen. Schon am Ende von Folge eins ist Paul am Rand des Nervenzusammenbruchs.

Nein, so schrecklich ist Kindererziehung nun auch wieder nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2020)

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