Bilanzskandal

Fahndung nach Wirecard-Ex-Vorstand Marsalek in "Aktenzeichen XY"

Wirecard
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Das Deutsche Bundeskriminalamt sucht öffentlich nach dem flüchtigen Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek. Auf den Philippinen fälschten Beamte offenbar Reiseunterlagen, um eine falsche Spur zu legen.

Im milliardenschweren Bilanzskandal beim DAX-Konzern Wirecard fahndet das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) öffentlich nach dem flüchtigen Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek. Der Österreicher war bis Juni 2020 Vorstandsmitglied bei Wirecard. Der Fall soll nun Thema bei der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" werden.

"Aufgrund der derzeitigen Ermittlungsergebnisse wird ein Aufenthaltsort des Gesuchten im Ausland für sehr wahrscheinlich gehalten", teilte das deutsche Bundeskriminalamt am Mittwoch in Wiesbaden mit. Eine Spur führt nach Belarus (Weißrussland).

Philippinen: Beamte fälschten offenbar Reiseunterlagen

Um eine Facette reicher wird der Skandal durch eine Nachricht aus den Philippinen, wo sich auf Treuhandkonten 1,9 Milliarden Euro befinden sollen. Einwanderungsbeamte sollen dort Reiseunterlagen Marsaleks gefälscht haben. Zwei Beamte werden verdächtigt. Laut ihren Einträgen in der Datenbank des Immigrationsbüros wäre Marsalek am 23. Juni in der Hauptstadt Manila eingetroffen und hätte die Philippinen am folgenden Tag von der Provinz Cebu aus - die auf einer anderen Insel liegt - wieder verlassen. Allerdings habe es am 24. Juni gar keinen Flug von Cebu nach China gegeben, wohin Marsalek angeblich gereist sein soll. Zudem seien den Angaben nicht - wie bei solchen Einträgen üblich - die Reisepassdaten des Österreichers beigefügt worden.

Marsalek wird verdächtigt, zusammen mit anderen Beschuldigten die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen des Zahlungsdienstleisters durch Scheingeschäfte aufgebläht zu haben, um so das Unternehmen finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver darzustellen. Die Ermittler verdächtigen ihn des besonders schweren Falls der Untreue und des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Banken und Investoren über drei Milliarden Euro verloren haben könnten.

Wirecard hatte Scheinbuchungen in Höhe von mutmaßlich 1,9 Mrd. Euro eingeräumt, die der Konzern in seiner Jahresbilanz 2019 auf der Habenseite bilanzieren wollte - das Ergebnis wahrscheinlich nicht existierender Luftgeschäfte mit Subunternehmern in Südostasien und im Mittleren Osten.

Wirecard muss DAX-Familie noch im August verlassen

Die Deutsche Börse hat angesichts der Insolvenz des DAX-Mitglieds Wirecard ihr Regelwerk nach einer Konsultation von Marktteilnehmern überarbeitet. Gemäß der neuen Regeln werden insolvente Unternehmen nun mit einer Frist von zwei Handelstagen aus den DAX-Auswahlindizes (DAX, MDAX, SDAX und TecDAX) herausgenommen, teilte die Deutsche Börse am Mittwochabend mit.

Die von der Index-Tochter Stoxx Ltd. beschlossene Regeländerung trete zum Donnerstag, 19. August in Kraft. Die sich daraus aktuell ergebenden Veränderungen in der Zusammensetzung von DAX und TecDAX werden entsprechend am selben Abend nach 22.00 Uhr bekanntgegeben und nach Börsenschluss am Freitag, 21. August, umgesetzt. Grundlage der Berechnung sei die Rangliste vom 31. Juli sowie weitere Vorgaben aus dem Regelwerk.

Delivery Hero statt Wirecard im DAX?

Erwartet wird von Index-Experten bereits, dass der Corona-Krisengewinner und Online-Essenslieferant Delivery Hero den Platz der in einen Bilanzskandal verstrickten und inzwischen zahlungsunfähigen Wirecard einnehmen wird. Chancen wurden aber auch dem Duftstoff- und Aromenhersteller Symrise eingeräumt.

Im Technologiewerte-Index TecDAX gelten die beiden Unternehmen LPKF und Stratec als die Favoriten für den frei werdenden Platz des Zahlungsabwicklers. Wirecard hatte im September 2018 den frei gewordenen Platz der Commerzbank im DAX eingenommen.

Die neue Regelung zu insolventen Unternehmen wurden von der Deutschen Börse im Rahmen einer Marktkonsultation in den vergangenen drei Wochen abgestimmt. Konkret bezieht sich die Änderung auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als ein gesetzlich festgelegtes Verfahren und umfasst alle relevanten öffentlichen Mitteilungen dazu, präzisierte der Marktbetreiber aus Eschborn bei Frankfurt. Da auch Unternehmen aus anderen EU-Staaten Indexmitglied werden können, beziehe sich die Regelung daher nicht nur auf das deutsche Insolvenzrecht.

(APA/dpa)

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