Filmkritik

Rassismus, ein Tentakelmonster

Atticus Freeman (Jonathan Majors) sucht seinen Vater und findet garstige Monster, Hexenmeister und Geheimbündler, die an den Ku-Klux-Klan erinnern.
Atticus Freeman (Jonathan Majors) sucht seinen Vater und findet garstige Monster, Hexenmeister und Geheimbündler, die an den Ku-Klux-Klan erinnern.(c) HBO
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In der HBO-Serie „Lovecraft Country“ reist ein schwarzer Kriegsveteran durch das Neuengland der 1950er. Er findet dort Fremdenhass und Monster aus der Mythologie H. P. Lovecrafts.

„Der Neger ist allen weißen und sogar den mongolischen Rassen biologisch grundsätzlich unterlegen, und die Menschen des Nordens müssen gelegentlich an die Gefahr erinnert werden, die sie auf sich nehmen, wenn sie ihm allzu freimütig die Privilegien von Staat und Gesellschaft gewähren.“ So steht es in einem Artikel, der 1915 in einem selbst verlegten US-Magazin erschien, als Teil einer Replik auf eine antirassistische Streitschrift. Absurde Ansichten aus dem Abfalleimer der Geschichte. Wäre der Autor dieser Zeilen nicht H. P. Lovecraft. Das ist nicht irgendjemand, sondern einer der einflussreichsten Literaten des 20. Jahrhunderts. Ursprünglich mäßig erfolgreich, entwickelten die abgründigen Horrorgeschichten des verschrobenen Schreiberlings aus Rhode Island posthum ein wirkmächtiges Eigenleben. Oscar-Preisträger wie Guillermo del Toro zählen ebenso zu seinen Fans wie Stephen King – oder Michel Houellebecq, dessen essayistische Erstveröffentlichung „Gegen die Welt, gegen das Leben“ sich intensiv mit dem Schaffen des von ihm verehrten Autors beschäftigt.

Ihr Titel bringt gut auf den Punkt, was Lovecrafts Oeuvre besonders macht: Das Grauen lauert bei ihm nicht in dunklen Wäldern und finsteren Schlössern, sondern hinter den Kulissen des Daseins selbst – ein existenzieller Schrecken im Geist philosophischer Schwarzmaler wie Schopenhauer und Emil Cioran, dem Lovecraft mit einer überbordenden Mythologie voller Albtraumlandschaften und uralter außerirdischer Ungeheuer markanten Ausdruck verlieh. Dieses von Fans „Cthulhu-Mythos“ genannte Inventar grotesker Wesen und Visionen ist längst popkulturelles Gemeingut. Seine namensgebende Schöpfung, die geflügelte Oktopusgottheit Cthulhu, gibt es als putzige Plüschfigur oder Kaffeetasse. Aber der Zeitgeist nimmt ihren Urheber, dessen Rassismus nie ein Geheimnis war, immer stärker ins Gericht. Zwar sind Lovecrafts politische Einlassungen viel befremdlicher als seine absichtsvoll vagen Gruselnovellen. Doch bisweilen zeugen auch Letztere von panisch anmutender Xenophobie: Wer Lovecrafts Werk schätzt, muss sich damit auseinandersetzen.

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