Serie

Das Evangelium nach Silicon Valley

Devs
DevsFX
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In Alex Garlands Serie „Devs“, die ab Mittwoch auf Sky zu sehen ist, suchen Technomystiker per Quantenprozessor nach der Weltformel. Eine auch ästhetisch außergewöhnliche Erfahrung, die große Fragen der algorithmischen Ära erörtert.

Das Ding in der Vitrine schimmert und surrt. Ein Geflecht aus Kabeln, Drähten und Dioden, eine elektronische Monstranz. Abstrakte Kunst? Nein – ein Computer, ein Quantenprozessor. In seinen Schaltkreisen schlummert das Schicksal. Deines, meines, unseres. Das Leben, das Universum und der ganze Rest.

Um dieses kramperte Trumm, Totem eines neuartigen Techno-Mystizismus, dreht sich die außergewöhnliche Science-Fiction-Serie „Devs“. Mit erstaunlicher Eloquenz erörtert die achtteilige Erzählung große Fragen unserer algorithmischen Ära. In den USA sorgte sie schon im März für Aufsehen – und kann jetzt mit Verspätung auch in Österreich gestreamt werden.

Die Entscheidung, ob Sie sich „Devs“ ansehen werden oder nicht, ist längst gefallen. Würde jedenfalls Forest (Nick Offerman) behaupten, Gründerguru des Googleartigen Silicon-Valley-Giganten Amaya. Die Wirklichkeit ist für ihn nichts als Ursache und Wirkung. Sprich: Berechenbar. Alles, was man braucht, ist ein ordentliches Datenhirn. Und Forest hat das beste weit und breit.

Auch Softwareentwickler Sergei (Karl Glusman) hantiert mit Projektionen und Kausalketten. Als es ihm gelingt, die Bewegungen eines Fadenwurms vorzuzeichnen, gewährt ihm Forest Einlass ins Allerheiligste seiner Firma – eine Betonzitadelle mit goldglänzender Wandverkleidung. Dort steht der schon erwähnte Digitalaltar und kalkuliert vor sich hin. Was ist sein Ziel? Zeitreisen? Die Weltformel? Eine göttliche Offenbarung? Sergeis Freundin Lily (Sonoya Mizuno), selbst Amaya-Angestellte, wittert Bedenkliches. Und beginnt herumzuschnüffeln.

Mehr philosophische Meditation als Mysterythriller

An Spannung mangelt es dabei nicht. Dennoch ist „Devs“ mehr philosophische Meditation als Mysterythriller. Entschieden langatmig gleitet die Serie des US-Senders FX (bei uns im Angebot von Sky) durch ihr zerdehntes Narrativ, nie um eine Abschweifung verlegen. Alle sind immerzu am Räsonieren, über Determinismus und den freien Willen, bohmsche Mechanik, und das Gesetz der Vergänglichkeit. Dabei werden Reizthemen gestreift, die im Dunstkreis der globalen Digitalisierung rumoren: Überwachung, Deepfakes, Datenklau.

So viel Diskursdickicht mag abschrecken. Doch die Stärke von „Devs“ ist ihr Verzicht auf Didaktik. Stattdessen setzen die Serienschöpfer auf Atmosphäre, versuchen verkopfte Konzepte über die Ästhetik zu vermitteln – und dem Publikum Raum für eigene Gedanken zu lassen.

Eine Neonröhre als Heiligenschein

Hauptverantwortlich zeichnet der Brite Alex Garland, der sich in den 1990ern mit dem Backpacker-Roman „The Beach“ einen Namen machte. „Devs“ schließt an sein Regiedebüt „Ex Machina“ (2014) an, das ausgeklügelte Kammerspiel wälzte zeitgenössische Debatten über Künstliche Intelligenz. Diesmal geht es um die Parallelen zwischen Wissenschaft und Religion. Einschlägige Symbolik kommt nicht zu kurz. Da wird eine Neonröhre zum Heiligenschein, ein Bildschirm zum Turiner Grabtuch. Der Soundtrack von Ben Salisbury, der Band The Insects und dem Portishead-Produzenten Geoff Barrow schlägt oft liturgische Töne an. Es wird viel zitiert, von Yeats bis Philip Larkin. Ein Hauch von Kubrick liegt in der Luft. Doch die Menschlichkeit der Protagonisten grundiert das bedeutungsschwere Brimborium.

Offerman gibt Forest als Schlurf, dessen trügerischer Gleichmut tiefe Traurigkeit kaschiert. Seine Tochter kam bei einem Unfall ums Leben, unübersehbar prangt das Trauma auf dem Amaya-Gelände, als gigantische Statue des kleinen Mädchens. Forest will den Verlust nicht akzeptieren. Ein romantisches, fast schmeichelhaftes Porträt kalifornischer Turbokapitalisten – im Unterschied etwa zu Dave Eggers „The Circle“ (und dessen gleichnamiger Verfilmung). Dennoch kommt „Devs“ den ideologischen Urgründen des Datenwahns vieler Tech-Unternehmen näher als manch eine kritische Satire.

Angst vor Zufall und Tod

Kern geht es hier um Kontrolle und Sicherheit, um Angst vor Zufall und Tod. Verbissenem Vorsehungsglauben hält „Devs“ die Theorie vieler Welten entgegen: Die Schönheit der Unwägbarkeit, die bisweilen als buchstäbliche Handlungsverzweigung verbildlicht wird, wenn sich eine Figur plötzlich in ihre Möglichkeitsformen zergliedert. Und die sich im Plot spiegelt, der wiederholt unerwartete Haken schlägt und Klischees unterwandert – auch in der Rollenbesetzung.

Zudem begegnet „Devs“ all seinen Akteuren, sogar den unsympathischsten, auf Augenhöhe. Manchmal driften sie wie Schlafwandler durch das Geschehen, getaucht in samtiges Licht. Doch dann sind es gerade die Banalitäten des Daseins, die den Bestimmungsbann brechen: Ein Gespräch über etwas Belangloses, eine stille Geste der Verbundenheit, eine Zitronenscheibe auf dem Wasserglasrand.

Das fordert Geduld. Und Aufgeschlossenheit für unkonventionelles Erzählen. Nicht so viel wie die dritte Staffel von „Twin Peaks“ oder Nicolas Winding Refns „Too Old to Die Young“, aber doch. Wer dranbleibt, wird mit einer der vielschichtigsten und ergiebigsten Serienerfahrungen der letzten Jahre belohnt. Soviel Prognose darf sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2020)

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