Syrien

Der Islamische Staat meldet sich zurück

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Die USA vermuten die Terrormiliz hinter dem Anschlag auf eine Gas-Pipeline nahe Damaskus. Die Jihadisten haben sich nach ihrer militärischen Niederlage neu gruppiert und greifen nun wieder vermehrt an.

Istanbul/Damaskus. Eine gewaltige Feuersäule erhellte den Nachthimmel im Nordosten von Damaskus: Die Explosion einer Gas-Pipeline in der Nähe der syrischen Hauptstadt legte in der Nacht zum Montag zeitweise die Stromversorgung in ganz Syrien lahm. Aufnahmen im Internet zeigten, dass die Flammen kilometerweit zu sehen waren. Am Morgen konnten die syrischen Behörden das Feuer löschen und die Gasversorgung wichtiger Kraftwerke wiederherstellen. Ein Terroranschlag habe die Pipeline zerstört, sagte Ölminister Ali Ghanem, ohne weitere Details zu nennen. Diese kamen wenig später vom US-Syrienbeauftragten James Jeffrey: Alles spreche für einen Anschlag des Islamischen Staates. Wenn Jeffrey recht hat, ist das Netzwerk des IS wieder erstaunlich stark und weit verzweigt.

Die Pipeline transportiert Gas aus Ägypten nach Syrien und verläuft in nördlicher Richtung an Damaskus vorbei nach Homs. Die Nachrichtenagentur SANA veröffentlichte ein Foto der Stelle, an der die Explosion die Pipeline zerrissen hatte. Stromminister Muhammad Zubair Kharbutli sagte, es sei der sechste Angriff auf die Pipeline gewesen. Die Explosion ereignete sich wenige Stunden vor der Wiederaufnahme der Verfassungsgespräche für Syrien in Genf. Der Anschlag führt der Regierung von Präsident Bashar al-Assad vor Augen, dass sie von einer Stabilisierung des Landes weit entfernt ist, auch wenn sie die Opposition militärisch in die Enge getrieben hat.

Mehr Bewegungsspielraum

„Fast sicher“ stecke der IS hinter dem Anschlag sagte Jeffrey am Rande der Syrien-Gespräche in Genf. Er verwies darauf, dass die Kämpfer des IS in jüngster Zeit wieder verstärkt im Südosten der Wüstenregion Badia aktiv seien. Diese ist ein idealer Rückzugsraum für den IS. Das riesige Gebiet von einer halben Million Quadratkilometern ist nur dünn besiedelt und reicht vom Süden Syriens bis zum Euphrat im Irak. Tausende Kämpfer sollen sich nach der Eroberung des letzten IS-Rückzugsgebietes durch die internationale Anti-IS-Koalition im März 2019 dorthin zurückgezogen haben.

Aus der Wüste heraus greifen IS-Trupps seit einigen Monaten wieder verstärkt an. Im Frühjahr tauchten sie im Irak auf. Die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition unterstützt die kurdisch dominierte Milizen-Allianz SDF im Osten Syriens und die irakischen Streitkräfte bei dem Versuch, den IS zurückzuschlagen. Der Rückzug von US-Bodentruppen aus der Region, der Abzug anderer internationaler Truppen und Ausbilder wegen der Corona-Pandemie und die anhaltenden Unruhen im Irak haben dem IS aber wieder mehr Bewegungsspielraum verschafft.

Auch auf syrischem Regierungsgebiet im Westen des Landes werden wieder mehr IS-Anschläge gemeldet. Seit der Vertreibung der Jihadisten aus ihrem letzten Stützpunkt vor 17 Monaten haben sie der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge mehr als 500 syrische Regierungssoldaten, 140 iranische Kämpfer und zwei russische Soldaten getötet. Im selben Zeitraum habe der IS mehr als 270 Kämpfer verloren.

Die Schlacht um Idlib

Assads Armee kann sich nicht auf die Bekämpfung des IS konzentrieren, weil die Staatsführung die nordwestliche Rebellenprovinz Idlib erobern will. Das bindet Kräfte, die in anderen Landesteilen fehlen. Ein Angriff der Regierungstruppen auf Idlib war im Frühjahr nach einer Vereinbarung zwischen der Türkei und Russland gestoppt worden. In jüngster Zeit mehren sich aber Hinweise, dass die Kämpfe bald weitergehen könnten. Vorige Woche flog die mit Assad verbündete russische Luftwaffe mehrere Angriffe in Idlib, die letzte Region, die noch von Aufständischen beherrscht wird. Die Türkei, die den Rebellen beisteht, hat ihre Truppen dort verstärkt, um einen neuen Angriff abwehren zu können.

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