Werksschließung

Rübenbauern fordern Rettungsversuch für Agrana-Zuckerfabrik

APA/HARALD SCHNEIDER
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Die Rübenbauern hoffen, dass es für die Zuckerfabrik in Leobersdorf doch noch ein Weiterbestehen gibt. der Bürgermeister und die SPÖ bauen auf einen runden Tisch.

Der Verband der Rübenbauern fordert einen letzten Anlauf zur Rettung der Agrana-Zuckerfabrik in Leopoldsdorf in Niederösterreich. Diese soll im Dezember nach der heurigen Rübenkampagne zugesperrt werden, sollte die Rübenanbaufläche nicht wieder auf zumindest 38.000 Hektar anwachsen, teilte der Agrana-Konzern am Dienstag mit. Heuer lag die Fläche bei 26.000 Hektar.

"Die Tür ist noch nicht ganz geschlossen", gab Rübenbauernpräsident Ernst Karpfinger am Mittwoch die Hoffnung noch nicht auf. Damit die Bauern ausreichend Rübenflächen mit der Agrana kontrahieren, "benötigen wir aber unbedingt begleitende Maßnahmen von der Politik", so die Forderung.

Dabei dreht es sich um Pflanzenschutz. Zuletzt sanken die Rübenflächen, weil einerseits viele Bauern auf Biowirtschaft umgestellt haben und vor allem weil der Schädling Rübenrüsselkäfer schwer zugeschlagen hat. Rübenbauern setzen auf die gesellschaftlich umstrittenen Neonicotinoide. Zuletzt wurde teilweise mit Notfallzulassungen für Neonics gearbeitet, da die Rübenbauern solche forderten, um Teile der Ernte zu retten.

"Wir brauchen eine verbindliche Zusage für verlässliche Rahmenbedingungen beim Pflanzenschutz sowie finanzielle Unterstützung im Kampf gegen den Rüsselkäfer", so Karpfinger in Richtung der Politik. In Frankreich sei solche Unterstützung zugesagt worden, weil man auf Eigenversorgung setzen wolle.

Die Kritik der Rübenbauern zielt darauf ab, dass hierzulande Pflanzenschutzmittel verboten seien, die sowohl bei Importware angewendet werde. "Uns fehlt hier das notwendige Werkzeug zum Arbeiten", beklagt Karpfinger.

Noch könne sich Österreich mit Zucker selbst versorgen, betonen die Rübenbauern. Würde die eine von zwei Agrana-Fabriken in Niederösterreich aber geschossen, "wäre das nicht mehr der Fall". Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hatte am Dienstag einen runden Tisch mit allen Beteiligten angekündigt - mit dem Ziel die Anbauflächen wieder zu steigern. Das begrüßte Karpfinger.

Bürgermeister und SPÖ bauen auf runden Tisch

Um die drohende Schließung der Zuckerfabrik in Leopoldsdorf doch noch abzuwenden, haben Bürgermeister Clemens Nagel sowie die Dritte Landtagspräsidentin Karin Renner und die Abgeordnete Katharina Kucharowits (alle SPÖ) am Mittwoch eine "gemeinsame, überparteiliche Kraftanstrengung" gefordert. In einer gemeinsamen Pressekonferenz sprachen sie zwar von einer "fast unlösbaren Aufgabe", sie betonten aber: "Die Hand bleibt ausgestreckt."

Die vom Agrana-Konzern ausgesprochene Möglichkeit, die Schließung zu überdenken, wenn bis Mitte November die Zuckerrüben-Anbaufläche von derzeit rund 26.000 auf 38.000 Hektar erhöht wird, bezeichnete Nagel als "sehr dünnen Strohhalm". Dennoch setzen sowohl der Bürgermeister als auch Renner und Kucharowits ihre Hoffnungen darauf, dass der von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) angekündigte runde Tisch zu einem Erfolg führt. Eine Lösungsmöglichkeit sehen sie darin, den Rübenbauern mit Flächenförderungsmodellen unter die Arme zu greifen und für die 150 betroffenen Voll- sowie 100 saisonalen Kampagnenarbeitsplätze Arbeitszeitmodelle zu überlegen.

Der Bürgermeister gestand zu, dass die Situation mit gesunkenen Zuckerpreisen und der Rübenrüsselkäfer-Plage für die Bauern nicht einfach sei. Er habe schon vor Monaten Vorschläge gemacht, um die Fabrik zu retten. Er habe aber die große Hoffnung, dass im Landwirtschaftsministerium jetzt die Brisanz der Lage erkannt worden sei, sagte Nagel. Renner übte in diesem Zusammenhang leise Kritik daran, dass Köstinger erst jetzt zu dem Gipfel eingeladen habe. Alle drei SPÖ-Vertreter bezeichneten es aber als dringend nötig, jetzt mit einem überparteilichen Schulterschluss "die Katastrophe" doch noch abzuwenden.

Nagel richtete auch einen Appell an die soziale Verantwortung des Agrana-Konzerns und Kucharowits mahnte Solidarität mit den 150 Beschäftigten ein. Die Zuckerfabrik sei der letzte klassische Industriebetrieb im Marchfeld und es bestehe die Angst, dass nun 72 Hektar Industriegelände als Ruine zurückbleiben. Eine Schließung wäre auch irreversibel - wenn die Fabrik einmal geschlossen werde, könne sie nicht mehr aufgesperrt werden. Die Mitarbeiter seien großteils hoch spezialisierte Facharbeiter. Für sie und deren Familien wäre das auch eine persönliche Katastrophe, wenn deren Lebensgrundlage verloren ginge. Der niederösterreichische Landesrat Stephan Pernkopf (ÖVP) habe jedenfalls bereits die volle Unterstützung der Landesregierung zugesagt, berichtete Nagel.

Die drei SPÖ-Vertreter betonten, dass es auch um die regionale Wertschöpfung und gehe und darum, die jetzt in der Coronakrise beschworene Unabhängigkeit Österreichs von anderen Ländern zu garantieren. "Wir wollen nicht den Wiener Zucker aus Brasilien importieren", brachte es Kucharowits auf den Punkt.

"Ein schwerer Schlag" wäre die Schließung auch für die Gemeinde Leopoldsdorf, bekräftigte der Bürgermeister. Die Zuckerfabrik sei seit rund 120 Jahren Garant für Arbeit und Wohlstand. Mit dem Aus würden der Gemeinde bis zu 300.000 Euro an Kommunalsteuern oder fünf Prozent ihrer Einnahmen verloren gehen. Zusätzlich zu den Verlusten durch die Coronakrise würde das eine "enorme Aufgabe" für die Gemeinde bedeuten, sagte Nagel. Welche Leistungen die Gemeinde dann einschränken müssten, konnte er noch nicht voraussagen. Das von der Bundesregierung aufgelegte Gemeinde-Hilfspaket sei zwar gut gemeint, aber die Gemeinden müssten Projekte einreichen, die sie bis zur Hälfte selbst finanzieren müssten, erinnerten Kucharowits und Renner.

Bauernbund warnt vor Zuckerimporten

Der Bauernbund warnt im Zuge des drohenden Endes der Agrana-Zuckerfabrik in Leopoldsdorf vor steigenden Zuckerimporten. "Wir müssen alles tun, um diese wertvolle Kulturpflanze und die gesamte Zuckerproduktion in Österreich zu erhalten", so Präsident Georg Strasser (ÖVP). Zuckerimporte aus Südamerika seien keinesfalls die Lösung. Denn für Zucker von dort werde hektarweise Regenwald gerodet.

Die Selbstversorgung Österreichs mit Zucker müsse gewährleistet bleiben, forderte Strasser am Mittwoch in einer Aussendung. Zudem müsse die Zuckerfabrik mit ihren Arbeitsplätzen für die Marchfeldregion in Niederösterreich erhalten bleiben.

(APA)

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