Plattenkritik

Bright Eyes: Am Ende wartet der Pfarrer

Neun Jahre lang pausierte die Indiefolkband Bright Eyes von Conor Oberst. Das neue Album „Down in the Weeds, Where the World Once Was“ erzählt vom Älterwerden.

Der Juli ist vorübergegangen, ohne dass das geplante Konzert von Bright Eyes in der Wiener Arena hätte stattfinden können, der Ausweichtermin im August wurde auf 2021 verschoben. Aber das neue Album ist wie vorgesehen erschienen. „Down in the Weeds, Where the World Once Was“ ist das erste Album seit neun Jahren, das Songschreiber Conor Oberst mit seinem viel gelobten Bandprojekt Bright Eyes veröffentlicht. Schon das – verzichtbare – Intro „Pageturners Rag“ verrät die großen Themen der stimmigen Platte: Eine Frau erzählt, wie sie rote Rosen für das Grab ihres Mannes kauft und wie ein Rosenbusch vor ihrem früheren Haus doch wieder wuchs. Es geht um Abschiede, um das Älterwerden, um den Tod, wird dabei aber nie hoffnungslos.

„Got to keep on going like it ain't the end“, hebt Obersts Stimme anschließend in „Sing And Dance“ an. „Got to change like your life is depending on it.“ Man muss sein Leben ändern, um zu überleben: ein Satz, der zur Pandemie passt, vorgetragen in dem typischen brüchigen Gesang von Oberst. Das hört sich nach den Bright Eyes von früher an, doch nach der zweiten Strophe überrascht die Band: Streicher fügen sich zu Gitarre, Keyboard, Bass und Schlagzeug, dann eine Flöte. In anderen Songs hört man Bläser, Backgroundsänger, einen Chor, einmal tröten sogar Dudelsäcke. Diese Üppigkeit ist neu. Bright Eyes sind breiter geworden, auch als Band: Mike Mogis und Nate Walcott schrieben diesmal an den Songs stärker mit. Prominente Gastmusiker: Bassist Flea (Red Hot Chili Peppers) und Schlagzeuger Jon Theodore (Queens of the Stone Age).

Die Texte schreibt Oberst weiterhin allein. Am intimsten sind sie auf dem entspannten „Forced Convalescence“: Zur Erholung gezwungen war er vor fünf Jahren. Wegen Erschöpfung, Angstzuständen und einer Kehlkopfentzündung landete der produktive Songwriter (21 Alben, seit er 17 Jahre alt ist) im Krankenhaus. „Life is easy“, singt er nun. Die Euphorie nach der Genesung hält nicht lang an, sein Geburtstag naht: „Turning forty. Ending up like everyone“, fürchtet er. Hausarbeit und Bankberatern könne man nicht entkommen, am Ende warten Pfarrer und Leichentuch. Der Folkstar hat die Midlife-Crisis. Ist es „better to burn out than to fade away“, wie Kurt Cobain und Neil Young einst meinten? Leichter vielleicht. Dann muss man sich nicht um eine „aging mother“ kümmern, die das Leben als Karussell der Verzweiflung begreift, wie Oberst in „Tilt-A-Whirl“ schildert. Und man ist nicht derjenige, der zurückbleibt. „The cowboy drinks himself to death fresh out of rehab“, singt er in der Single „Mariana Trench“ über seinen toten Bruder.

Sie wirft Teller nach ihm

In den zwölf melancholischen Songs erzählt Oberst von einem Besuch im Vatikan „to watch the pontiff wave“, erwähnt die US-Schuldenkrise, den Autobahnausbau in Los Angeles, den Konzertsaal Bataclan und den Tian'anmen-Platz in Peking. Dieser Mann liest offenbar die Nachrichten. Das klingt erwachsen, selbst wenn ihn seine Partnerin im „Comet Song“ Peter Pan schimpft und Teller nach ihm wirft. Zum Glück könne sie nicht zielen, findet er und verteidigt sich: „I told you many times I'm not much of a man.“
Trotzdem spricht der Alltag eines Mannes aus seinen Texten, nicht der eines ewigen Kindes. Er beobachtet ein Baby im Brutkasten, baut mit seinen Kindern Sandburgen am Strand. Langweilig? Nein, das Leben ende ohnehin „so suddenly“: „All I can do is just dance on through. And sing.“ Gern.

(c) Dead Oceans/Cargo

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