Wort der Woche

Welche Faktoren für die Resilienz wesentlich sind

Eine Analyse der nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO zeigt, welche Faktoren für die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gegen die Coronakrise wesentlich sind.

Die neue Corona-Ampel erinnert uns in Österreich daran, dass die Coronakrise noch lang nicht vorbei ist. Allerdings: Viele Länder wären froh, wenn sie „nur“ unsere Probleme hätten. Während wir uns den Kopf darüber zerbrechen, ob und in welchen Fällen wir einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen, spielt sich in der weiten Welt eine gigantische Katastrophe ab. Nachzulesen ist das etwa im aktuellen Fortschrittsbericht der UNO zu den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDG), der bislang umfassendsten Sammlung von Zielen, die sich die Menschheit gesetzt hat.

Diesem Bericht zufolge war die Welt schon vor der Coronakrise in vielen Bereichen nicht „on Track“, und nun droht das Virus auch vieles des bereits Erreichten wieder zunichtezumachen. So könnten laut den UN-Experten beispielsweise 71 Mio. Menschen in extreme Armut zurückfallen; die häusliche Gewalt an Frauen habe mancherorts um ein Drittel zugenommen; und erstmals seit 20 Jahren könnten Kindersterblichkeit und Kinderarbeit wieder auf dem Vormarsch sein. In allen Ländern sind Frauen, jüngere Menschen und sozial schwache Gruppen besonders stark betroffen.

Die 17 Entwicklungsziele mit ihren 169 Unterpunkten bieten indes auch einen Rahmen zur Analyse der Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gegenüber der Krise. Forscher der UN Economic Analysis and Policy Division (UN DESA) konnten nun zeigen, dass jene Staaten bisher die beste Covid-19-Performance aufweisen, die am meisten Fortschritte in den Bereichen Gesundheitssystem, soziale Sicherheit und Governance-System gemacht haben. Als wichtige Faktoren erwiesen sich weiters der Zugang zu frischem Wasser, das Zurückdrängen von Slums, der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung und interessanterweise die Verbreitung von Smartphones und Internet (Policy Brief #84, 31.8., www.un.org/development/desa/dpad).

Das sind wichtige Hinweise zum Setzen von Prioritäten, um die Lage in vielen Ländern zu verbessern. Und das muss dringend geschehen: Die Coronakrise habe gezeigt, dass die Welt mittlerweile so integriert ist, dass die öffentliche Gesundheit eines Landes leicht die Gesundheit in anderen Ländern beeinträchtigen kann, so die Autoren. „Für die ganze Welt kann das öffentliche Gesundheitssystem daher nur so stark sein wie im schwächsten Land.“ Folglich tragen nicht nur die einzelnen Länder eine Verantwortung dafür, sondern die globale Gemeinschaft. Auch im eigenen Interesse. ⫻

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2020)

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