Premiere

Der verrückte Formel-1-Grand Prix

Italian Grand Prix
Italian Grand PrixPool via REUTERS
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Es war der Sonntag der Wachablösen: Pierre Gasly gewann sensationell den GP von Monza, erstmals seit Australien 2013 gewinnt kein Mercedes-, Red Bull- oder Ferrari-Fahrer. Und mit dem Rückzug von Claire Williams endete eine PS-Ära.

Monza. Eine explodierende Bremsleitung da, ein spektakulärer Ferrari-Unfall dort samt Rennunterbrechung, ein folgenschwerer Taktikfehler von Mercedes und die größte Chance seiner Karriere: Pierre Gasly, 24, ist der große Sieger des GP von Italien in Monza. Der Franzose raste im Alpha Tauri zu seinem sensationellen Premierensieg in der Königsklasse. Carlos Sainz jr hatte im McLaren das Nachsehen, „Platz zwei ist ein schwacher Trost, mir fehlte eine Runde“. Und Lance Stroll (Racing Point) komplettierte das jüngste Podest der Geschichte.

Es ist der zweite Sieg für Red Bull-Schwestern-Rennstall nach 2008 (Sebastian Vettel, Toro Rosso). Eingefahren von Gasly, den Helmut Marko vor einem Jahr degradiert hatte und in die Mannschaft des Tirolers Franz Tost geschickt hatte. „Es ist unglaublich, ich weiß doch noch gar nicht, was hier wirklich passiert ist“, gluckste Gasly. „In den vergangenen 18 Monaten ist so viel passiert, und jetzt gewinne ich für ein italienisches Team in Italien. Verrückt!“

Ferraris Unfall und Hamiltons seltener Patzer

Damit bewies der Franzose, der seit 2017 in der Formel 1 unterwegs ist und 55 GP bestritten hat, dass auch er – wenn alles rundum stimmt – er ein Sieger sein kann. Und wo landete Seriensieger Lewis Hamilton? Er wurde sogar noch Siebenter, sammelte wichtige Punkte und bleibt WM-Leader.
Sebastian Vettel musste bei seinem Heimrennen schon nach wenigen Runden den Wagen wegen eines Defekts abstellen. „Die Bremsleitung ist explodiert“, funkte der Deutsche, 33, sauer an den Kommandostand und donnerte durch eine Styropor-Absperrung.

Am linken Hinterrad waren sogar Flammen zu erkennen. Es ist Vettels zweiter Ausfall, für Ferrari doppelt bitter, weil auch Charles Leclerc nach einem heftigen Unfall vorzeitig aufgeben musste und sich damit die Krise in Maranello weiter verschärft. Für alle anderen war das der Augenblick, auf den sie so lange gewartet hatten.

Denn in der vermeintlichen „Safety Car“-Phase kam Lewis Hamilton als Führender sofort – und nicht unerwartet – an die Box. Sein Ingenieur hatte allerdings übersehen, dass die Boxengasse gesperrt war. Eine 10-Sekunden-Strafe (Stop & Go) war die Folge und öffnete dem neuen und 109. Sieger in der F1-Historie die Bahn. Gaslys Triumph kommt eigentlich einer sehr wohltuenden Wachablöse gleich: es ist der erste Sieg seit Australien 2013 (Kimi Räikkönen, Lotus) und 146 Rennen, der nicht von Mercedes, RB Racing oder Ferrari errungen wurde. Es ist das erste Podest ohne dieses Trio seit Ungarn 2012.

Das Ende der Ära Williams

Doch in der Boxengasse ist seit diesem Rennen alles anders. Denn die Familie Williams ist nicht mehr dabei. Claire, 44, räumte mit der Zielflagge das Feld als Teamchefin. Ihr Vater, „Sir“ Frank, 78, war ob seiner angeschlagenen Gesundheit seit Jahren nur noch auf dem Papier der CEO. Ihr „Familien-Betrieb“, mit neun Konstrukteurs- und sieben Fahrer-Titeln seit 1977, fährt längst nur noch im Schatten der Vergangenheit. 1997 gab es den letzten Titel, der letzte Sieg gelang Pastor Maldonado 2012 in Barcelona. Sponsoren sprangen ohne Erfolge ab, die Schulden wuchsen – Ende August verkaufte man die „Blauen“ um 152 Millionen Euro an den US-Investor „Dorilton Capital“.

Claire war schon als Kind dabei. Zwischen Spritfässern lief sie, auf Reifenstapeln turnte sie. Die Britin war später Pressechefin und wurde Teamchefin. Ob sie Neo-Inhaber James Matthews, dem Schwager von Prinz William, feiern wird, bleibt abzuwarten. Fast acht Jahre lang stand sie auf dem Kommandostand. Nach 43 Jahren und 739 GP ist diese Geschichte vorbei.

Der Name Williams (Renault-Team heißt 2021 Alpine) soll erhalten bleiben, ebenso der so traditionsreiche Firmensitz in Grove.

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