Todesfall

Trauer um Alfred Riedl: Abschied von einem Weltenbummler

Archivbild: Alfred Riedl als vietnamesischer Nationaltrainer im Jahr 2007
Archivbild: Alfred Riedl als vietnamesischer Nationaltrainer im Jahr 2007(c) REUTERS (Fadi Al-Assaad)
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Der frühere ÖFB-Teamchef Alfred Riedl ist im Alter von 70 Jahren verstorben. Die Austria schoss er zum Titel, als Trainer war ihm keine Herausforderung zu groß. Über ein bewegtes Leben.
 
 

Wien. Eine Karriere im Fußball kann ein Abenteuer sein, bei Alfred Riedl wurde sie sogar zu einem höchst exotischem. Mit Trainer-Engagements von Saudi-Arabien über Palästina, Liechtenstein, Vietnam bis nach Indonesien hat sich der einstige ÖFB-Teamchef einen Namen als Weltenbummler gemacht, in der Nacht auf Dienstag ist der frühere Austria-Spieler im Alter von 70 Jahren verstorben.

Nach dem Ende seines Engagements als indonesischer Teamchef, das dritte seiner langen Karriere, im Jahr 2016 hatte sich Riedl in Pottendorf, südlich von Wien, zur Ruhe gesetzt. „Ich bin nicht der Ehrgeizler, der sagt, er will mit 75 noch auf der Bank sitzen. Das würde mir auch gar keinen Spaß machen“, sagte er im vergangenen März. „Da gehe ich lieber Golf spielen, wenn es mir wieder gut geht, und genieße das Leben, solange es geht.“ Seine Gesundheit war damals bereits angeschlagen.

Torjäger dank einer Notlüge

Riedl, Jahrgang 1949, wuchs im niederösterreichischen Bezirk Blumau auf, als Teenager jagte er in der Landesliga für Teesdorf dem Fußball nach – und wollte Architekt werden. Die Wiener Austria aber war längst auf den Stürmer aufmerksam geworden, Talentescout Josef Argauer sprach bei der Familie vor. Um noch rechtzeitig für die Saison 1967 den Vertrag zu finalisieren, ließ Argauer den jungen Riedl schließlich aus der HTL nach Hause kommen. Der Klassenvorstand kam der Notlüge um die verstorbene Großmutter zwar auf die Schliche, doch die Entscheidung für den Fußball war da bereits besiegelt.

Fünf Jahre stürmte Riedl für die Austria, schoss sie zu zwei Meistertiteln (1969, 1970) und verabschiedete sich 1972 als heimischer Torschützenkönig nach Belgien. Auch bei St. Truiden, Royal Antwerpen und Standard Lüttich bewies er seinen Torriecher: Zweimal setzte er sich die belgische Schützenkrone auf, 1975 gewann er als drittbester Torjäger Europas den Bronzenen Schuh.

In dieser Zeit debütierte Riedl unter Leopold Stastny im Nationalteam, schaffte es jedoch nicht aus dem Schatten der hochklassigen Konkurrenz im Angriff um Hans Krankl, Walter Schachner, Kurt Welzl oder Franz Oberacher. Am Ende wurden es nur vier Länderspiele, ohne Torerfolg.

Die Chance in der Blamage

Nach der Rückkehr in die Heimat (GAK, Sportklub, Mödling) beendete Riedl 1985 seine Spieler-Laufbahn und wechselte an die Seitenlinie. Nach Lehrjahren bei Kottingbrunn und Sportklub avancierte ausgerechnet eine der größten Blamagen der ÖFB-Geschichte zu seiner Chance: Nach dem 0:1 auf den Färöern musste Josef Hickersberger 1990 als Teamchef gehen – und der bisherige Assistent Riedl sprang ein. Nach acht Partien, darunter ein 3:0 gegen die Insel-Kicker als einziger Sieg, endete dieses Kapitel jedoch wenig ruhmvoll.

Die Auftritte mit dem österreichischen Nationalteam hatten Riedl allerdings international bekannt gemacht, und im Dezember 1993 wagte er den Sprung ins kalte Wasser zu Olympique Khouribga nach Marokko. Über 15 Stationen sollte sein Lebenslauf am Ende zählen, darunter die Nationalverbände des Iran (als Sportdirektor) sowie von Liechtenstein, Vietnam, Palästina, Laos und Indonesien (jeweils als Teamchef).

Das Glück fern der Heimat

Auf seinen Auslandsengagements lernte Riedl die Welt, neue Kulturen und andere Perspektiven kennen. Von der Sprunghaftigkeit herrischer Klubbesitzer ließ er sich nicht abschrecken, sich von religiösen Spannungen nicht einnehmen (ein Treffen mit Jassir Arafat in Palästina lehnte er deshalb ab) und schätzte das eigene Glück in Anbetracht der grassierenden Armut in Südostasien umso mehr. Geld spielte für ihn nie die wichtigste Rolle.

Fern der Heimat genoss Riedl auch jene Wertschätzung, die ihm in Österreich verwehrt blieb. „Wenn ich heute in Vietnam gehen würde, würden mich die Leute nach wie vor erkennen. Die schreien dir nach, auch in Indonesien ist das so, da kann man nicht normal auf die Straße gehen“, erzählte er im März. Die Kontakte in seine Wahl-Heimaten hat er bis zuletzt gepflegt, insbesondere zu jenem Vietnamesen, der ihm nach einem landesweiten Aufruf im März 2007 eine Niere gespendet hatte.

Riedl selbst erachtete sich übrigens nicht als Abenteurer, attestierte sich lediglich Neugierde. Nun ist seine eindrucksvolle Weltreise zu Ende gegangen.

(swi)

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