Der Blick in die Kulissen der Mode gehört zum Standardrepertoire der Luxuskommunikation. In die Karten lässt sie sich trotzdem nicht gern schauen, wie Buchautorin Giulia Mensitieri darlegt.
Die Modebranche hat, so könnte es scheinen, nichts zu verbergen. Ganz im Gegenteil, sie ist geradezu versessen darauf, dass man ihr in die Kulissen schaue: Backstage-Fotoaufnahmen bei den Schauen gehören längst zum Standard (und Models schalten sofort auf freundliche Miene um, wenn sie vom Laufsteg um die Ecke biegen), Dokumentationen wie die „The Day Before“-Reihe von Loïc Prigent porträtieren Designer und ihre Teams bis zur buchstäblich letzten Sekunde vor Fertigstellung einer Kollektion, und die Social-Media-Auftritte mancher Maisons lassen an intimen Einblicken ebenfalls kaum zu wünschen übrig.
Handelt es sich bei all dem aber um realitätsnahe Einblicke in die Kulissen und damit die Funktionsweise einer ebenso schnelllebigen wie knallharten Branche? Oder eben doch nur um weitere Facetten einer kunstfertigen – und gestellten – Frontstage-Performanz, während sich die eigentlich unherzeigbaren Dimensionen des Modetreibens sehr wohl den Blicken der Öffentlichkeit entziehen?
Von dieser Annahme ging die Italienerin Giulia Mensitieri aus, als sie an der renommierten Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales ihre Doktorarbeit verfasste und dafür eine Feldstudie im weit gefassten Bereich der Modeproduktion durchführte, zu dem neben der Arbeit von Designern und Freelance-Handwerkskünstlern auch jene von Fotografen, Models und Stylisten zählen. Der Titel ihrer Dissertation legt zunächst nahe, es handle sich hierbei um „Das schönste Metier der Welt“, eröffnet zugleich aber eine überaus kritische Lesart und Einblicke in eine Welt, die jenseits der schillernden Oberfläche von Prekariat, Konkurrenzgeist und Geheimniskrämerei dominiert wird.