Im Endspurt steigt die Brisanz: Ein deutsches Drama fühlt dem Linksextremismus auf den Puls, eine böse Dystopie aus Mexiko imaginiert den sozialen Kollaps. Und Frances McDormand wird im Wohnmobil zur Rebellin.
Der Lungomare Guglielmo Marconi ist blockiert. Ein Demonstrationszug schreitet über die Uferpromenade am Lido. Es sind italienische Kunst- und Kulturarbeiter, die ihrer durch Corona verschärften Prekarität ein Fanal setzen wollen. Ein größeres Menschenaufgebot wurde von den Behörden verboten. Dennoch reißt der Anblick kurzzeitig aus dem Alltagstrott der Kino-Mostra, die heuer schaumgebremst dahinplätschert – ohne Aufruhr, Aufreger oder nennenswerte öffentliche Debatten. Dafür mit Maske. Das Virus dämpft auch den Diskurs, Politisches findet vorwiegend auf der Leinwand statt.
Die zweite Hälfte des Festivals hat das zuvor eher moderate Brisanzlevel des Filmevents hochgeschraubt. So feierte am Donnerstag „Und morgen die ganze Welt“ Premiere im Wettbewerb: ein autobiografisch angehauchtes Antifa-Drama der deutschen Drehbuchautorin und Regisseurin Julia von Heinz. Ob der Film etwas Spannendes zu seinem Reizthema beitragen kann, ist jedoch strittig. Im Kern schildert er die Geschichte einer Verirrung. Luisa (Mala Emde), eine Jusstudentin mit frischem Gesicht, ist von den rechtsextremen Umtrieben in ihrem Land irritiert. Sie will etwas unternehmen. Also bittet sie um Aufnahme bei einem antifaschistischen Verein. Freigeistige Atmosphäre, kämpferische Attitüde – für sie eine belebende Abwechslung zum bürgerlich gesetzten Ambiente ihres Elternhauses.