Das verstörende Gesicht eines Taliban-Opfers

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Das Time-Magazin sorgt mit dem von ihrem Gatten entstellten Gesicht einer Afghanin auf dem Cover für Aufsehen. Die Flucht vor einem Leben voller Misshandlung hat der Afghanin Bibi Aisha Nase und Ohren gekostet.

Kabul/ Wien. Die Flucht vor einem Leben voller Misshandlung hat der jungen Afghanin Bibi Aisha Nase und Ohren gekostet: Ihr Mann hat sie ihr abgeschnitten. Aisha kam mit dem Leben davon– und sorgt nun weltweit für Aufsehen und Verstörung: Das US-Magazin „Time“ hat ein Porträt der 18-Jährigen, deren wahrer Name anders lautet, jüngst aufs Titelblatt gehoben und daneben getitelt: „Was passiert, wenn wir Afghanistan verlassen“.

Die Geschichte Aishas, die aus der Südprovinz Uruzgan stammt, ist tatsächlich brutal: Mit zwölf wurde sie einem Talib „geschenkt“, um eine „Blutschuld“ einzulösen: Ein Onkel Aishas hatte einen Verwandten des Mannes getötet. Später wurde sie mit ihm verehelicht, aber von seiner Familie wie eine Sklavin behandelt. Angeblich wohnte sie im Stall.

Die Familie entehrt

2009 floh sie; die Polizei fand sie und übergab sie der Familie ihres Gatten, die sie vor ein Talibangericht brachte. Das urteilte, sie habe die Ehre der Familie verletzt. Aus Rache brachte ihr Mann sie in die Berge, schnitt ihr Nase und Ohren ab und ließ sie zum Sterben zurück. Doch sie stieß auf US-Entwicklungshelfer, die sie in ein Frauenhaus in Kabul brachten. Das war vor einem Jahr. Seither erholt sie sich dort. Und wurde von einer Fotografin aus Südafrika für „Time“ abgelichtet.

Der „Time“-Bericht frischt die Debatte über den Krieg am Hindukusch auf. Kritiker sehen das Titelbild als „psychologische Erpressung“ und werfen dem Blatt vor, die US-Präsenz in Afghanistan mit fragwürdigen Mitteln zu verteidigen; immerhin unterstützen den Krieg nur noch 36 Prozent der US-Bürger. Andere meinen, „Time“ weise zu Recht auf die Lage der Frauen hin – und auf die Gefahren, die ihnen bei einem Sieg der Taliban drohten.

Sprecher der Taliban betonten derweil, ihre Kämpfer seien für Aishas Verstümmelung nicht verantwortlich; die Tat ihres Mannes werde für eine Propagandageschichte instrumentalisiert.

Behandlung in Kalifornien

Aisha wurde vor Tagen in ein Spital der Stiftung „Grossman Burn“ nach Los Angeles gebracht. Man will dort ihr Gesicht gratis wiederherstellen. Angeblich will Aisha in einem Jahr zurück nach Kabul, um in dem Frauenhaus der Organisation „Frauen für afghanische Frauen“ zu arbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2010)

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