Coronakrise

Israel: Mit einem Lockdown in das Neue Jahr 5781

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Israel führt als erstes Land weltweit wieder einen Lockdown ein. Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und Geschäftsschließungen gelten für mindestens drei Wochen.

Israel ist das erste Land der Welt, das erneut in einen landesweiten Lockdown geht - und das ausgerechnet zu Rosch ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, das am Freitagabend beginnt. Laut dem jüdischen Kalender fängt das Jahr 5781 an. Von Freitagnachmittag an - genauer 14.00 Uhr Ortszeit/13.00 Uhr MESZ - müssen sich die Menschen in dem Mittelmeerstaat allerdings erneut mit starken Einschränkungen arrangieren. Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und Geschäftsschließungen sollen mindestens drei Wochen gelten.

Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte am Donnerstagabend,
angesichts der hohen Infektionszahlen der letzten Tage könnte eine
weitere Verschärfung der Maßnahmen notwendig werden. „Ich werde
nicht zögern, zusätzliche Beschränkungen zu verhängen, falls die
Notwendigkeit besteht", sagte er. Dass die strengen Regeln ausgerechnet vor dem Neujahrsfest verhängt werden, hat einen Grund: Man will verhindern, dass es bei Familienfesten, Feiern und Gebeten zu einem weiteren dramatischen Anstieg von Neuinfektionen kommt.

„Lockdown ist ein Fehler“

Die Opposition kritisiert den Corona-Kurs der Regierung und den
zweiten Lockdown scharf. Die Krise hat der Wirtschaft des Landes
bereits schwer zugesetzt. Die Arbeitslosigkeit lag im Sommer bei
mehr als 20 Prozent. Oppositionsführer Jair Lapid sagte zuletzt, die
Bürger würden bestraft, weil die Regierung versagt habe. „Dieser
Lockdown ist ein Fehler, er ist ein Desaster.“

Auch in Medien wurde die bisherige Regierungspolitik kritisiert: Von einem „Versagen“ sprach etwa die Zeitung „Haaretz“, das sich aus schlechtem Management, mangelnder Vorbildfunktion der Regierung und mieser Koordination zusammensetze. Minister der Regierung hatten teil offen über die Corona-Politik gestritten; viele Maßnahmen waren nur unzureichend umgesetzt worden. Auch Regeln für soziale Distanz wurden nicht von allen Bürgern beherzigt.

Wie viele andere Länder auch, hatte Israels Regierung bereits im
Frühjahr einen Lockdown verhängt, um die Pandemie einzudämmen. Damit hatte sie von Ende März bis Mai zunächst Erfolge erzielt, woraufhin die Maßnahmen gelockert wurden. Nach der Lockerung stiegen die Zahlen jedoch wieder. Zuletzt kletterte die Zahl der täglichen Neuinfektionen wiederholt auf Rekordwerte - rund 5000 Fälle täglich. Im Mai lagen sie lange im zweistelligen Bereich.

Schulen und Kindergärten geschlossen

Während des zweiten Lockdowns sollen nun Schulen und Kindergärten
geschlossen bleiben. Auch Hotels, Einkaufszentren sowie
Freizeitstätten und Strände müssen schließen. Restaurants dürfen nur
noch außer Haus verkaufen. Lebensmitteleinkäufe und Arztbesuche sind
aber weiterhin erlaubt. Die Menschen dürfen sich aber nur noch in
Ausnahmefällen weiter als einen Kilometer von ihrem Zuhause entfernen. Zudem soll es Personenbegrenzungen beim Besuch von Synagogen geben - was in der Zeit der Feiertage eine Herausforderung werden dürfte.

Unklar blieb, in welchem Umfang sich die Bevölkerung an die
Regeln halten wird. Im Lockdown-Zeitraum liegt neben Rosch ha-Schana auch der wichtige Feiertag Yom Kippur am 27. September sowie Simchat Tora am 10. Oktober. Wöchentlich gab es zudem zuletzt Proteste gegen die Corona-Politik von Ministerpräsident Netanyahu. Verteidigungsminister Benny Gantz kündigte an, die Armee werde die Polizei mit 1000 Soldaten bei der Durchsetzung der Maßnahmen unterstützen.

Arabische und ultraorthodoxe Wohnviertel betroffen

Präsident Reuven Rivlin rief die Bürger Israels zu Einigkeit und
zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf. „Wir müssen alles tun, um
unter unseren Mitbürgern persönliches, medizinisches und
ökonomisches Vertrauen wiederherzustellen", sagte er in einer im
Fernsehen ausgestrahlten Ansprache an die Nation. „Dies ist eine
zweite Chance, und wir müssen sie nutzen, weil wir, so fürchte ich,
keine dritte bekommen werden."

Der bisherige Höchststand an täglichen Neuinfektionen war mit
5523 am vergangenen Dienstag registriert worden. Insgesamt zählt man in Israel rund 177.000 Coronafälle. Vom jüngsten Anstieg der Zahlen sind arabische und ultraorthodoxe jüdische Wohnviertel am stärksten betroffen. Dort leben häufig größere Familien auf engem Raum zusammen, so dass Infektionsketten nur schwer unterbrochen werden können. 

(APA/DPA/red.)

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