Quergeschrieben

Scharfrichter und Tugendwächter in den sozialen Medien

Abkanzelungskultur ist, links wie rechts, offenbar eine echte Wachstumsbranche. Das zeigen auch die Reaktionen auf „Cuties“ und den neuen Krimi von J. K. Rowling.

Freiheit der Kunst – guter wie schlechter – war einmal ein hohes Gut, für das Kunstschaffende und Intellektuelle auf die Barrikaden stiegen. Jetzt steigt man auf die virtuellen Barrikaden, um zu verbieten, was nicht den eigenen moralischen Ansprüchen genügt: Bilder werden abgehängt, Ausstellungen boykottiert, Filme mit Bann belegt, Bücher digital verbrannt.

»Dürfen folglich nur Frauen über Frauen, Männer über Männer, Alte über Alte und Junge über Junge schreiben? Dann wird es bald ziemlich fad werden in der Kunst.
«

Andrea Schurian

Das gab es schon alles, in extremster Ausprägung im Nationalsozialismus und anderen totalitären Systemen. Später wüteten die (meist im reaktionären Lager angesiedelten) Kulturfeinde gegen die Aktionisten; luden anlässlich Thomas Bernhards „Heldenplatz“-Premiere Mist vor dem Burgtheater ab; störten Romeo Castelluccis Jesus-Stück „Über das Konzept des Angesichts von Gottes Sohn“ mit Pfeifkonzerten; verteufelten Martin Scorseses Film „Die letzte Versuchung Christi“, liefen gegen Fotos des homosexuellen Fotografen Robert Mapplethorpe Sturm etc. Neuerdings kommt der Kunst- und Bildersturm aber oft von der eher links verorteten Wokeness-Bewegung, also von jenen woken (= wachen) Menschen, die Diskriminierung von Minderheiten, Intoleranz, Rassismus bekämpfen. In der Wahl der Waffen sind sie allerdings nicht gerade zimperlich.

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