Jazz

Elegische und furiose Töne

Das Jazzfestival Leibnitz präsentierte coronabedingt nur heimische Kost. Die kitzelt die Geschmacksnerven meist subtil.

Wie viele Wörter der deutschen Sprache enden mit nf? Es sind fünf, wie ein Online-Quiz der „Presse“ aufklärt. Senf, Hanf . . . und die Fünf. Ein bisserl wie eine kosmische Verschränkung mutete an, dass die junge Band Gnigler just in dem Moment ihre Schlussnummer „Fünf“ ankündigte, als der Rezensent dieses Quiz auf seinem Mobiltelefon spielte. Im ersten Drittel der überambitionierten Darbietung schlief er sogar für ein paar Minuten weg. Schwer zu sagen, ob das Kritikerversagen war oder der Druck auf die Augenlider von der Musik herrührte.

Laut Programmheft hätte es möglich sein sollen, in diese Musik, in der der Gestus des Experimentellen zum Klischee erstarrte, Frank Zappa, Willem Breuker und Pierre Boulez herauszuhören. War aber nicht so. Die Musiker waren sympathisch, aber mit Ausnahme des Schlagzeugers, Niki Dolp, längst nicht von ihren Lehrmeistern auf der Musik-Uni emanzipiert. Das kann ja noch kommen. Weiter ging es mit dem Wolfgang Muthspiel Chamber Trio. Souveräne Extemporation und intensive Dialoge zwischen Trompeter Mario Rom, Pianist Colin Vallon und Muthspiel selbst prägten die Performance. Das zunächst nur still vor sich hin simmernde „Mehldau“ steigerte sich in ein fantastisches Furioso.

Muthspiel hat bekanntlich mit dem titelgebenden Helden, dem vielleicht besten Jazzpianisten der Gegenwart, Brad Mehldau, schon des Öfteren gespielt, was einer Erhebung in den Adelsstand gleichkommt. Das Trio changiert mit Leichtigkeit zwischen Elegie und Heiterkeit. Besonders intensiv geriet „Django“, die Hommage an Django Bates. Mario Rom spielte gleichermaßen risikofreudig wie lyrisch.

Sinnlicher Ton am Saxofon

Anderntags begeisterte das Fabian Rucker Quintet mit flamboyanter Fusion, kluger Dekonstruktion und spannender Songarchitektur. Rucker betörte mit seinem sinnlichen, fast afroamerikanischen Ton am Saxofon. Chris Neuschmid, ein Elvis-Costello-Lookalike, überzeugte mit intensivem, notenarmem Spiel. Schlagzeuger Andres Lettner agierte entrückt wie eh und je, während Pianist Philipp Nykrin auf raffinierte Zurückhaltung setzte. Das Repertoire bestand größtenteils aus Stücken des Albums „Hypocritical Mass“. Groove, Fusion, Jazz noir und glühende Balladen wie „Chant“ sorgten für größten Jubel. Die Kombo überzog ihre Spielzeit um 45 Minuten. Der gestrenge Intendant, Otmar Klammer, wird wohl eine geeignete Strafe für sie finden. Das Publikum war selig. Das Fabian Rucker Quintet riskiert viel für die Fans.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2020)

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