Weißrussland

Massendemos gegen Lukaschenko

Zahlreiche Festnahmen, Wasserwerfer und eine gärende Krise an der Ostgrenze der EU.
Zahlreiche Festnahmen, Wasserwerfer und eine gärende Krise an der Ostgrenze der EU.APA/AFP/-
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Zahlreiche Festnahmen, Wasserwerfer und eine gärende Krise an der Ostgrenze der EU. Oppositionsführerin Tichanowskaja sondiert dort derweil um Hilfe.

Minsk. In Weißrussland (Belarus) sind die Gegner des autoritär regierenden Langzeit-Präsidenten Alexander Lukaschenko am Sonntag erneut zu Massenprotesten auf die Straßen gegangen. Zehntausende versammelten sich im Zentrum der Hauptstadt Minsk. Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein, es gab auch viele Festnahmen.

Seit der umstrittenen und höchstwahrscheinlich gefälschten Präsidentschaftswahl im August gibt es jedes Wochenende Demos gegen die Regierung.

Wie an den Sonntagen zuvor waren die Sicherheitskräfte mit einem massiven Aufgebot vor Ort, auch gepanzerte Fahrzeuge waren im Einsatz. Die Polizei schränkte zudem den Zugang zum mobilen Internet und den öffentlichen Nahverkehr ein, um den Zustrom von Demonstranten zu behindern. Nach Angaben einer Sprecherin des Innenministeriums kamen Wasserwerfer zum Einsatz und es gab Festnahmen, weitere Details wollte sie nicht nennen.

Im Vorfeld der Demonstration hatten die Organisatoren erklärt, der Protest am Sonntag sei diesmal politischen Gefangenen gewidmet. Sie riefen zu einem Marsch zum Okrestina-Gefängnis in Minsk auf, wo mehrere Teilnehmer früherer Kundgebungen inhaftiert sind. Die Demonstranten kommunizieren über den Oppositionskanal „Nexta Live“ im Messenger-Dienst Telegram, der mittlerweile von über zwei Millionen Menschen abonniert wird.

„Behörden nehmen Geiseln“

Berichten des Oppositionskanals Nexta zufolge haben die Behörden über 250 Strafverfahren gegen Lukaschenkos Gegner, darunter „Aktivisten“ und Blogger, eröffnet. „Die Behörden haben diese Leute als Geiseln genommen“, hieß es. „Wir haben sie nicht vergessen und fordern Freiheit für alle politischen Gefangenen!“

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjasna gebe es inzwischen 77 politische Gefangene in Weißrussland. Im Vorfeld der Proteste vom Sonntag hatten die Behörden allen ausländischen Journalisten die Akkreditierung entzogen, was eine Berichterstattung über die Aktionen der Opposition zusätzlich erschwert.

Die jüngsten Demonstrationen erfolgen wenige Tage nach der Verhängung von Sanktionen durch EU und USA gegen Regierungs- und Behördenvertreter des Landes. Die EU sanktionierte am Freitag rund 40 weißrussische Beamte, darunter den Innenminister, seine Stellvertreter, Polizeibeamte, Richter und Leiter von Haftanstalten. Als Reaktion gab Weißrussland bekannt, dass es eine eigene Liste an sanktionierten europäischen Beamten erstellt habe, ohne die Namen der Betroffenen preiszugeben, und zog seine Botschafter aus Polen und Lettland ab. Lukaschenko hat wiederum den Rückhalt Russlands.

Treffen mit Merkel

Laut belarussischer Opposition war im August die inzwischen ins Exil geflohene Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja (38) die Siegerin der Wahl. Diese sucht unterdessen den Kontakt zu westlichen Führungskräften, etwa zu Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, der sich aktuell stark außenpolitisch engagiert. Am Dienstag will sie Kanzlerin Angela Merkel treffen. (APA/AFP).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2020)

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