Wie rechts ist Alfred G.?

Des Kanzlers Regierungserklärung klang etwa so überzeugt wie das Video-Bekenntnis einer irakischen Geisel zum Heiligen Krieg.

Es war eine aufschlussreiche Inszenierung, als sich am Dienstag die neue Regierung erstmals dem Parlament präsentierte: Dort, wo normalerweise der Bundeskanzler auf der Regierungsbank sitzt, hatte diesmal Alfred Gusenbauer Platz genommen. Links vom schwarzen Finanzminister Molterer und rechts vom schwarzen Innenminister Platter flankiert, glich er dazwischen eher einer Geisel der Terrorgruppe "Molterer Mujaheddin" denn einem erwachsenen Regierungschef.

Wie eine jener Videobotschaften, auf denen die Geiseln sich umständehalber mit dem Anliegen der neben ihnen stehenden düsteren Peiniger solidarisieren, hörte sich denn auch jene Regierungserklärung an, die er mit höchst überschaubarer Begeisterung vom Blatte ablas, samt Bekennung zur militärischen Sicherung des Luftraumes und ähnlichen Zumutungen (leider war nicht zu sehen, ob ihm Molterer vor dieser Rede unter der Regierungsbank diskret die Handschellen abgenommen hat).

Gusenbauers unglücklicher Auftritt spiegelte freilich präzise das strategische Dilemma wieder, vor dem die SPÖ in nächster Zeit stehen wird. Denn immer nur trotzig darauf zu verweisen, sozusagen Opfer einer gelungenen Massenvergewaltigung durch die Schwarzen geworden zu sein und deshalb die nächsten vier Jahre die Programmatik der bisherigen ÖVP/BZÖ-Regierung nahezu unverändert fortzuschreiben, das wird ja nicht wirklich der Gipfel politischer Weisheit sein.

Natürlich könnte Gusenbauer, der von seinen journalistischen Kombattanten neuerdings als "eher rechter Sozialdemokrat" beschrieben wird, zumindest versuchen, eine Art österreichischer Tony Blair zu werden. Das hieße freilich, das Fortschreiben der bisherigen Regierungspolitik offensiv zur eigenen Sache zu machen (so wie Blair seinerzeit jene von Lady Thatcher fortführte), anstatt dauernd den Eindruck zu erwecken, als Marionetten-Kanzler die Politik einer Besatzungsmacht umsetzen zu müssen, gerade als regierte er nicht am Ballhausplatz, sondern in der Grünen Zone von Bagdad.

Solcherart könnte Gusenbauer zwar die SPÖ langfristig deutlich zukunftsfähiger machen - freilich um den Preis, vielleicht zwar kein rotes Knittelfeld, aber doch ein Schisma mittlerer Schwere zu riskieren (die Gründung einer österreichischen Linkspartei à la deutscher PDS wenigstens bräuchte er nicht zu fürchten, die FPÖ gibt es ja schon).

Scheut er diesen Weg - oder will er ihn aus Glaubensgründen nicht gehen -, bleibt Gusenbauer als Alternative zu jenem eher glücklosen Anblick vom Tag der Regierungserklärung wohl nur, in der gemeinsamen Regierung viel stärker als zur Zeit der Koalitionsverhandlungen den inhaltlichen Konflikt mit dem Partner Volkspartei zu suchen.

Genau das erwartet ja offenkundig auch eine sehr große Zahl von Wählern und Funktionären der SPÖ von ihm.

Zur Haltbarkeit des schon jetzt etwas fragil wirkenden widernatürlichen Regierungsbündnisses dürfte eine derartige Fokussierung auf traditionelle sozialdemokratische Glaubensinhalte freilich wirklich beitragen.

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