Film

Flirrendes Nachwuchskino

Corona bremst das junge österreichische Filmschaffen nicht: Die „Cinema Next“-Tour bringt vielversprechende Regisseure in die Kinos.

Arme Blockbuster! Immer wieder werden sie unter Corona verschoben, weil sie ihre Grundkosten ohne Massenpublikum nicht decken können. Zumindest hierin hat das heimische Nachwuchskino einen buchstäblichen Startvorteil. Es darf sich relativ risikofrei auf der Leinwand ausprobieren. Etwa im Zuge des jüngsten Programms der Förderinitiative „Cinema Next“, das aktuell zur Bundestour ansetzt. Die erste Auswahl läuft am Mittwoch um 20:30 im Wiener Gartenbaukino, weitere Stationen sind Graz, Salzburg, Innsbruck und Linz.

Wie gewohnt ist das Stilspektrum groß, und die Avantgarde kommt dabei nicht zu kurz. Simona Obholzers „2 days left“ schöpft hypnotische Bewegungsbilder aus Fragmentaufnahmen eines Wellenbades, Stefanie Weberhofers „Kopierwerk“ flickt ein flirrendes Medienporträt aus Analogmaterial. Und Stefan Justers stereoskopischer Glitch-Art-Exzess „Dyad“ überfordert die Sinne. „In Her Boots“ von Kathrin Steinbacher, der bei den britischen Bafta-Awards heuer mit einer Kurzfilmnominierung bedacht wurde, zeigt indes ein Animationstalent im Werden – und berückt als empathisch-humorvolles Porträt einer Demenzkranken.

Einen gefinkelten Beinahe-Spielfilm haben hingegen Ulrike Putzer und Matthias van Baaren kredenzt: Ihr Programmbeitrag „Casting Tapes“ beginnt mit einer Rollenbewerbung für einen Werbeclip, die sich kurz darauf als inszeniert erweist. Genau wie die folgenden Szenen aus dem Leben einer angehenden Schauspielerin, die vor kargen Kulissen und mit branchen- und sozialkritischen Untertönen von Zweifeln und Nöten erzählen. Ähnlich wie in van Baarens Debütfilm, der doppelbödigen Dolmetscherdoku „Die Falten des Königs“ (2010), wird hier die Praxis eines Berufs, der Identitätsspaltung erfordert, via Versuchsanordnung durchleuchtet und hinterfragt.

Doch damit nicht genug: Parallel zu den „Cinema Next“-Screenings holt das Crossing-Europe-Filmfest seine von Covid gekappte „Local Artists“-Schiene nach: Von 8. bis 10. Oktober läuft im Linzer Kulturquartier ein regionales Kurzfilm-Potpourri. Es gibt also ausreichend Gründe, ins Kino zu gehen – auch ohne Wonder Woman und James Bond.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2020)

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