Leitartikel

Die rote Mittelklasse

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Mehr links oder mehr rechts? Die Wiener SPÖ müsse sich für eine Richtung entscheiden, hieß es lang. Michael Ludwig hat genau das nicht getan – und liegt damit richtig. Zumindest vorerst.

Es ist ein Jahr her, da stand Michael Ludwig grantig in der Löwelstraße. Die Hochrechnung der Nationalratswahl war gerade bekannt geworden. Das rote Ergebnis war bescheiden, auch in Wien. Und auf die Frage, warum die SPÖ nicht vom FPÖ-Crash profitieren konnte, hatte der Bürgermeister wenig zu sagen.

Wer hätte damals gedacht, dass Ludwig heuer so auftrumpfen würde? Für die Absolute, vor der Türkis warnt, wird es nicht reichen, aber die 39-Komma-Prozent seines bereits verklärten Vorgängers wird er überbieten. Woran liegt's? Vielleicht daran, dass Ludwig den medialen Ratschlägen, die auch hier verteilt wurden, nie gefolgt ist. Der häufigste lautete: Die SPÖ müsse sich entscheiden. Will sie nun mit den Grünen um die Innenstadt-Klientel rittern oder lieber mit der FPÖ bzw. der ÖVP um die Außenbezirke? Wenn sie nämlich weiter so unentschlossen in der Mitte bleibe, werde sie nach rechts und links ausrinnen. Jedoch hat sich nun herausgestellt, dass genau das fade In-der-Mitte-Hocken nicht das schlechteste Rezept für einen Wahlkampf in Zeiten der Krise war. Dazu gehörte weiters: nicht streiten, sich mutige Visionen – so es die gibt – für später aufheben und still dankbar sein für alles, was das Virus hinweggefegt hat (Krankenhaus Nord). Diese Strategie sicherte die Ruhe in der einst zerstrittenen Partei und irritierte auch nach außen keinen. Und das war wohl der Plan: sich mittig zu platzieren und rundum Stimmen abzugreifen. Von allen ein bissel. Statt nach links und rechts auszurinnen, lenkte man die Stimmbächlein sanft zur Mitte, hoffte auf den vom Finanzministerium frustrierten Kleinunternehmer genauso wie auf den Grün-Affinen, der der Partei das Moria-Nein im Bund nicht verzeiht. Voraussetzung war freilich, dass das Konzept zum Spitzenkandidaten passt. Aber da bestand kein Zweifel: Mehr Mitte als Ludwig geht nicht. Walter Ruck, Ludwig-Freund und Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, würde das bestätigen.

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