Film

Wie sich Künstler in der Emigration etablieren

Kenan Kiliç
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„Brücken über Brücken“ von Kenan Kiliç erzählt von Zuwanderern und ihren unfassbar traurigen Erlebnissen, aber auch vom hoffnungsvollen oder gelungenen Ankommen.

Blut spielt im Leben des kolumbianischen Malers Antonio Zapata und auch in seiner Arbeit eine große Rolle: Die Bilder wirken wie aus Miniaturen zusammengesetzt und erinnern an Hieronymus Bosch. Zapata ließ sich aber auch von „Mola“, der traditionellen Nähkunst der Cuna-Indianer, inspirieren. Seit 1983 lebt Zapata, der aus einer Großfamilie von Kaffeepflanzern stammt, in Österreich und arbeitet als Spanischlehrer. Die künstlerische Arbeit ist seine Verbindung zu seiner von Guerillakriegen zerrissenen Heimat.

Zapata ist einer von sieben Künstlern, die Kenan Kiliç für seine berührende Dokumentation „Brücken über Brücken“ ausgewählt hat. Kilic, 1962 in Istanbul geboren, gewann 2002 für „Nachtreise“ den Wiener Filmpreis. „Brücken über Brücken“ ist im Metro-Kinokulturhaus zu sehen.

Beschneidung, Flucht über die Berge

Vor allem die Schicksale der Frauen erschüttern: Die sudanesische Schriftstellerin Ishraga Mustafa Hamid, die seit 1993 in Wien lebt, erzählt von ihrer Beschneidung, einer grauenhaft raffinierten Zeremonie, die sie im Alter von sechs Jahren über sich ergehen lassen musste: „Wir bekamen Geschenke, wurden mit Henna bemalt. Man sagte uns aber auch: Morgen wirst du geschlachtet. Es wurde getrommelt, damit niemand unsere Schreie hört“, schildert Ishraga die archaische Tortur, die bis heute in nicht wenigen Teilen der Welt üblich ist.

Über die Berge vom Irak in den Iran floh Sängerin Nigar Hasib mit ihrem Baby, eine Woche lang bekam sie nichts zu essen und zu trinken, stillte trotzdem das Kind, bis die Milch ausblieb. 1992 konnte die Performerin in Wien ihr erstes Theaterstück präsentieren, mit ihrem Mann betreibt sie das Lalish Theaterlabor.

Die Anfänge der Tschuschenkapelle

Der bekannteste Erzähler in „Brücken über Brücken“ ist wohl Slavko Niniç von der Tschuschenkapelle. Nach der Matura konnte der gebürtige Kroate keine Bücher mehr sehen und machte sich nach Wien auf, er schuftete am Bau, seine Berichte klingen wie ein Sprachmuseum: Statt mit Maschinen wie heute dominierten Krampen und Schaufel die Baustellen, als Niniç Anfang der Siebziger Jahre als „Yugo“ nach Österreich kam, 13 Leute schliefen in einem Raum mit Eisenbetten und der „Kapo“ drehte früh das Licht ab, damit die „Hackler“ am nächsten Tag rechtzeitig aus den Federn kamen. Kein Wunder, dass Niniç bald beschloss, Germanistik zu studieren, als Übersetzer erfuhr er viel über die Diskriminierung seiner Landsleute, die Musik sollte die Kluft zwischen In-und Ausländern überbrücken. Das gelang und gelingt bis heute.

Kenan Kiliç

Pantomime und Tänzerin

Gerade in dieser Zeit, wo Flüchtlinge oft kein Gesicht haben und politische Agitation betrieben wird mit „Fluten“ aus einer „Ferne“, mit der wir glauben, wenig zu tun haben, ist Kiliçs Film wichtig. Ob türkischer Pantomime oder japanische Tänzerin, man täuscht sich häufig über das „Fremde“. Ihr Vater habe ihr verboten, zu tanzen, für ihn zählte nur das Musizieren, berichtet Aiko Kazuko Kirosaki, und der Papa fügte hinzu: „Solange du in meinem Haus lebst, tust du das, was ich will.“ „Typisch japanisch“, findet Kirosaki. Nicht sehr japanisch, möchte man erwidern, solche Sätze hört man wahrscheinlich in vielen Familien in aller Welt, wenn die Kinder „Kunst-Flausen“ entwickeln.

Aber Hartnäckigkeit siegt: Pantomime Azrael (Erdinç Akpinar) probt in einer alten Fabrikhalle, wir sehen ihn zwischen herabhängenden Kabeln und Betontrümmern eine imaginäre Wand abtasten. Hier „irgendwo im Nirgendwo“, sagt Azrael, fühlt er sich wohl. So tragisch einige der Geschichten sind, die hier aufgeblättert werden, der Mut und die Improvisationsgabe dieser Künstler beeindrucken.

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