Bolivien

Bolivien hat gewählt: Die Heimkehr von Evo Morales rückt näher

Boliviens Ex-Präsident meldet sich aus seinem Exil in Buenos Aires in Argentinien zu Wort.
Boliviens Ex-Präsident meldet sich aus seinem Exil in Buenos Aires in Argentinien zu Wort.REUTERS
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Für Bolivien ist es eine richtungsweisende Wahl. Gewinnt MAS-Kandidat Acre, ebnet das den Weg für eine Rückkehr von Ex-Präsident Evo Morales und anderen Exilanten.

Evo Morales ist jener Präsident, der Bolivien seit der Unabhängigkeit von Spanien 1825 am längsten regiert hat. 13 Jahre, von 2006 bis 2019, war der frühere Koka-Bauer und Gewerkschafter an der Macht. Dabei half ihm das starke Symbol, auch der erste indigene Präsident des Landes zu sein. Er stammt aus einer Aymara-Familie, mehr als 60 Prozent der bolivianischen Bevölkerung sind Indigene, die vom weißen Establishment lange ignoriert worden waren.

Doch der Höhenflug des Evo Morales endete in einem harten Aufprall und im Exil. Der Ex-Präsident lebt derzeit in Argentinien; an den Wahlen darf er nicht teilnehmen. Nach der Präsidentenwahl im Oktober 2019 hatte er auf Druck des Militärs zurücktreten müssen. Ihm wurde Wahlbetrug vorgeworfen. Morales setzte sich ins Ausland ab - eine Interimsregierung mit der erzkonservativen Übergangspräsidentin Jeanine Anez, die Neuwahlen ausrufen sollte, übernahm. Seine Anhänger und Verbündeten in der Region sprechen von einem Putsch. Das Land ist gespalten, die Stimmung aufgeheizt.

Und in dieser Gemengelage wählten die Bolivier am Sonntag einen neuen Präsidenten. Die ersten Nachwahlbefragungen sagen einen Sieg des linksgerichteten Kandidaten Luis Acre voraus. Acre gilt als Schützling Morales'. Der private Fernsehsenders Unitel sieht Arce bei 52,4 Prozent der Stimmen, weit vor seinem Hauptrivalen, dem konservativen Ex-Präsidenten Carlos Mesa mit 31,5 Prozent.

Stimmen die Nachwahlbefragungen, steht Luis Arce (Mite) vor einem deutlichen Wahlsieg.
Stimmen die Nachwahlbefragungen, steht Luis Arce (Mite) vor einem deutlichen Wahlsieg.APA/AFP/RONALDO SCHEMIDT

Gewalt nimmt zu

In dem Andenstaat herrscht nun eine große Ungewissheit, auch wegen einer möglichen Rückkehr Morales'. Groß ist auch die Angst vor Gewalt. Am Samstagabend begann eine Operation von Polizei und Militär, um die "Ordnung der guten Regierungsführung" bei den Wahlen durchzusetzen, wie die bolivianische Zeitung "El Deber" Verteidigungsminister Fernando Lopez zitierte. In den vergangenen Wochen haben sich die Berichte über Angriffe auf Mitglieder des Wahlgerichts, Kandidaten und Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Seiten in dem Andenstaat gehäuft.

Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte in Bolivien registrierte seit Wahlkampf-Beginn am 6. September mehr als 40 Gewaltattacken. Verteidigungsminister Fernando López nannte die Morales-Regierung einen "Feind im eigenen Land“. Die Streitkräfte seien „bereit“, sagte er bei einer Gedenkfeier für die Soldaten, die 1967 den Guerillero Ernesto "Che" Guevara töteten. Der Hass ist tief verwurzelt, geht weit zurück.

Richtungsweisende Wahl

Einige Analysten halten die Wahl für die wichtigsten des demokratischen Boliviens. "Wie selten in der Geschichte des Landes liegt die Zukunft in unseren Händen", sagt etwa der Wirtschaftswissenschaftler Gonzalo Chávez von der Katholischen Universität in La Paz der Nachrichtenagentur dpa.

"Evo Morales hat das Land bezüglich der Anerkennung indigener Rechte und ihrer politischen Beteiligung deutlich vorangebracht", sagt Juliana Miyazaki von der Gesellschaft für bedrohte Völker. "Doch sein Verhalten gegen Ende seiner Amtszeit hat dem Ansehen der bolivianischen Demokratie geschadet." Dank der Einnahmen aus dem verstaatlichen Gasgeschäft verringerte Morales zwar die Armut und verbesserte die Lebenssituation der Indigenen.

Aber Kritiker werfen ihm und der MAS-Partei einen Ausverkauf an China und einen autoritären Stil vor. Morales klammerte sich an die Macht und überspannte den Bogen. Die erzkonservative Übergangspräsidentin Jeanine Áñez wiederum wird kritisiert, sie übe Vergeltung statt zu versöhnen und setzte vor allem die Justiz als Mittel der Verfolgung ein. Bolivien ist ohnehin gespalten in Hochland und Tiefland, indigene Mehrheit und europäisch-stämmiges Establishment.

Daran entlang ziehen sich großteils auch Parteilinien und Wählerpräferenzen. So versuchte MAS-Kandidat Arce entscheidende Stimmen im Hochland zu sammeln, der liberale Ex-Präsident Carlos Mesa im städtischen Umfeld von Santa Cruz. Von einem "Herzschlagfinale" war im Vorfeld die Rede. Für einen Sieg in der ersten Runde sind mehr als 50 Prozent der Stimmen nötig - oder über 40 Prozent und zehn Prozentpunkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Stimmen die ersten Nachwahlbefragungen, könnte Arce bereits im ersten Wahlgang zum Sieger erklärt werden.

Konservative versammelten sich hinter Mesa

Nach Übergangspräsidentin Áñez zog auch Ex-Präsident Jorge Quiroga seine Kandidatur zurück, um die Stimmen der konservativen Wähler nicht unter zu vielen Kandidaten zu verteilen.

Vor einigen Jahren hatte Morales einmal gesagt, nach seiner Amtszeit wolle er ein Restaurant eröffnen und dort selbst als Kellner arbeiten. Bei einer Rückkehr in den Regierungspalast würden auch alle Exilanten zurückkehren, sagt MAS-Kandidat Arce - was auch das Rückflugticket für Evo Morales wäre.

(APA/dpa/AFP)

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