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„Tatort“: „Und wann kommt die Alternativ-Physik?“

Rupert Henning mit Adele Neuhauser. Er mag die Wiener Ermittler, denn: „Die sind nicht so perfekt.“
Rupert Henning mit Adele Neuhauser. Er mag die Wiener Ermittler, denn: „Die sind nicht so perfekt.“ (c) ORF (Thomas Jantzen)
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Im „Tatort“ geht es diesmal um den Glaubenskrieg zwischen wissenschaftlicher und „alternativer“ Medizin. Regisseur Rupert Henning über seine Homöopathie-Skepsis, einen fatalen Bienenstich und warum es für Corona-Filme zu früh ist.

Moritz Eisner hat Kreuzweh. Aber zur Untersuchung in die Röhre geschoben werden will er auch wieder nicht, weil ihm das unheimlich ist. Und weil das Beruhigungsmittel nicht hilft. „Da könnt' ich ja genauso gut Gummibärli essen“, mault der Kommissar (dargestellt von Harald Krassnitzer). Medizinisch kann man es ihm in der „Tatort“-Folge „Krank“ (25. 10., 20.15 Uhr, ORF2) also nicht recht machen – denn auch von alternativen Methoden hält er wenig. Vor allem der aktuelle Fall bringt ihn und Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auf die Palme: Ein Mädchen ist an einer Infektion gestorben, weil der Vater auf alternative Heilmittel schwört, statt den Ärzten und einem Antibiotikum zu vertrauen.

„Gesundheit ist eine Glaubensfrage“, lässt Autor und Regisseur Rupert Henning einen der Protagonisten des Films sagen. Und woran glaubt er? „Ich vermeide es bewusst, im Film ein Urteil zu fällen.“ Ganz gelungen ist ihm das nicht. Zumindest der gute Wille wird dem Vater aber nicht abgesprochen. Grundsätzlich kommt Henning aus dem schulmedizinischen Lager. Und das merkt man. Sein Vater war Arzt. „Ich tue mir schwer, wenn jemand etwas behauptet, ohne es zu beweisen“ – als Beispiel nennt er die Homöopathie und ihr Credo „Wer heilt, hat recht“. Das sei anekdotische Evidenz und als solche leicht zu widerlegen.

Kein „Hohelied auf den Globulismus“

Letztlich geht es ihm in seinem bereits fünften „Tatort“ aber nicht darum, ob es nun richtig oder falsch ist, „das Hohelied des Globulismus“, wie Eisner es zynisch nennt, zu singen. „Wo Profite winken, wird nicht immer mit koscheren Mitteln gearbeitet“, sagt Henning. Das gelte für Schul- wie Alternativmedizin. „Ich wollte anregen, sich damit zu beschäftigen und hinter die Kulissen zu schauen.“

Statt aufgrund von evidenzbasiertem Wissen zu entscheiden, werde oft bloßen Behauptungen vertraut. Nicht nur in Gesundheitsfragen, auch in der Politik. Man glaube dem, der lauter schreit oder einem ein besseres Gefühl vermittelt. „Da sind wir dann bei den alternativen Fakten. Und ich frage mich: Wann kommt die Alternativ-Chemie? Die Alternativ-Physik? Man kann doch nicht behaupten, die Schwerkraft wirkt nur dann, wenn es einem passt.“

Was hält er dann von Menschen, die Fake News glauben, zum Beispiel zum Thema Corona? „Ich verstehe die Sehnsucht nach Erklärungen in unserer komplexen Welt, die man nicht immer erfassen kann. Ich kann meinen Computer aber auch nicht selbst reparieren – aber wem vertraue ich ihn an: dem, der mir sympathisch ist, oder dem, der bewiesen hat, dass er es kann?“

Henning ist geprägt vom naturwissenschaftlichen Denken eines Ärztehaushalts. Von diesem kenne er zwei Arten, erzählt er: „Bei den einen kann man Lungentransplantationen durchführen, so gut ausgerüstet sind die. Bei den anderen findet man nicht einmal ein Pflaster, wenn man sich in den Finger geschnitten hat.“ Hennings gehörten zu letzteren. Man sei „völlig antihypochondrisch“ gewesen. Gleichzeitig habe sein Vater beherzt der Nachbarstochter das Leben gerettet, die nach einem Bienenstich fast erstickt wäre. Der Schulmedizin sei Dank! „Das war für mich als Kind begreifbar: Wenn mein Papa nicht dagewesen wäre mit dem richtigen Zeug, wäre etwas Schlimmes passiert.“ Arzt werden wollte er trotzdem nie.

„Ich bin inspirations-promiskuitiv“

Schon früh habe sich gezeigt, dass er mehr zum Geschichtenerzähler tauge. „Ich bin inspirations-promiskuitiv“, lacht Henning – er finde überall Ideen und Denkanstöße. In Wien studierte der gebürtige Klagenfurter Geschichte und Anglistik, Schauspiel und Regie. Er arbeitet als Autor, Übersetzer, Regisseur und Schauspieler. Juckt es ihn denn, einen Film über Corona zu machen? „Das wäre so, als würde man einen Autounfall analysieren, während man ihn hat. Der Film ist kein gutes Mittel, um auf tagesaktuelle Ereignisse zu reagieren. Dafür ist er zu schwerfällig.“ Wenn, dann ginge das eher als Kabarett. 2001 kommentierte Henning mit Erwin Steinhauer in „Ausrichten“ das politische Geschehen, sein Programm „Freundschaft“ über Österreichs Sozialdemokratie hat er 2006 auch verfilmt. Aber im Moment habe er diesbezüglich nichts in der Pipeline.
Dafür plant er eine TV-Serie mit Florian Scheuba – zum Thema Fake und Wahrheit. „Ich brauche immer ein bisschen länger, um die Dinge zu begreifen“, sagt Henning. Viele Leute hätten schnell eine Meinung zu allem. „Ich frage mich dann: Wieso können die schon ihren Senf abgeben? Ich weiß da oft noch nicht einmal, ob Senf dazu überhaupt das Richtige ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2020)

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