Referendum

Neubeginn für Chile: Bevölkerung stimmt für neue Verfassung

In Santiago wurde gegen die Regierung protestiert und das Referendumsergebnis gefeiert.
In Santiago wurde gegen die Regierung protestiert und das Referendumsergebnis gefeiert.REUTERS
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Rund 78 Prozent der Wähler sind für eine Erneuerung. Die derzeitige Verfassung stammt aus der Zeit der Militärdiktatur. Eine eigens zu wählende Versammlung soll nach einem Jahr einen Entwurf vorlegen.

Chile soll eine neue Verfassung bekommen. Eine entsprechende Frage beantworteten bei einem Referendum am Sonntag nach Auszählung von rund 95 Prozent der Wahllokale rund 78 Prozent der Wähler mit "ja". 14,8 Millionen Bürger des südamerikanischen Landes waren aufgerufen, zu entscheiden, ob die aktuell gültige Verfassung von 1980 - aus der Zeit der Militärdiktatur von General Augusto Pinochet (1973-1990) - ersetzt werden soll. Dies gehörte zu den Kernforderungen der Demonstranten, die vor rund einem Jahr wochenlang gegen die Regierung auf die Straße gegangen waren.

Der konservative Präsident Sebastián Piñera sprach nach Schließung der Wahllokale am Abend (Ortszeit) in einer Ansprache von einem Sieg für die Demokratie und die Einigkeit. "Bisher hat uns die Verfassung gespalten", sagte der 70-Jährige. Auf der Plaza Italia in der Hauptstadt Santiago, die seit den Protesten von vielen "Plaza de la Dignidad" (Platz der Würde) genannt wird, und auf zentralen Plätzen in anderen Stäten feierten Tausende Menschen friedlich.

Verfassungsversammlung wird gewählt

Bei dem Referendum wurde auch über eine zweite Frage entschieden: ob eine verfassungsgebende Versammlung komplett aus eigens dafür im kommenden April zu wählenden Delegierten - je zur Hälfte Männer und Frauen - den neuen Text ausarbeiten soll, oder ob die Hälfte des Gremiums aus Parlamentariern bestehen soll. Rund 79 Prozent der Wähler entschieden sich für erstere Variante. Die Versammlung soll spätestens nach einem Jahr einen Entwurf vorlegen, über den dann wieder die Bürger abstimmen.

An der aktuellen Verfassung gab es wegen ihres autoritären Ursprungs, der starken Bündelung von Machtbefugnissen bei der Zentralregierung und begrenzter Einflussmöglichkeiten der Bürger stets Kritik. Die Befürworter einer neuen Verfassung wollen nun die soziale Rolle des Staates stärken, Grundrechte auf Arbeit, Gesundheitsversorgung, Bildung und Trinkwasser aufnehmen sowie die Anerkennung der indigenen Völker festschreiben. Das Referendum war wegen der Coronavirus-Pandemie verschoben worden, ursprünglich war es für April geplant.

(APA/dpa)

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