Illiberale Demokratie

Neues EU-Verfahren gegen Ungarn

Ungarns Premier Viktor Orbán.
Ungarns Premier Viktor Orbán.(c) APA/AFP/POOL/FRANCOIS LENOIR
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Die EU-Kommission geht gegen Beschränkung des Asylrechts durch die ungarische Regierung vor. Budapest hat zwei Monate Zeit, um zu reagieren.

Brüssel/Budapest. Wegen Einschränkungen des ungarischen Asylrechts geht die EU-Kommission gegen Budapest vor. Die Brüsseler Behörde teilte am Freitag mit, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die neuen ungarischen Regeln seien rechtswidrige Hürden auf dem Weg zu einem Asylverfahren und stünden im Gegensatz zur Asylverfahrensrichtlinie der EU.

Antrag in Kiew oder Belgrad

Konkret geht es darum, dass Schutzsuchende seit einigen Monaten nicht mehr auf ungarischem Boden einen Asylantrag stellen können. Stattdessen müssen sie in den ungarischen Botschaften in Belgrad oder Kiew vorstellig werden und können dort eine Absichtserklärung auf Stellung eines Asylantrags einreichen – gegebenenfalls erhalten sie dann eine einmalige Einreiseerlaubnis nach Ungarn.

Vorangegangen war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach die Menschen in den ungarischen Transitlagern für Migranten an der Grenze zu Serbien rechtswidrig inhaftiert wurden. Die Schutzsuchenden mussten teilweise monatelang dort warten, bis sie einen Asylantrag stellen durften. Nach dem EuGH-Urteil schloss Ungarn die Lager im Mai und führte wenige Tage später die neuen Regeln ein, gegen die die EU-Kommission nun vorgeht.

Die Regierung von Premier Viktor Orbán hat nun zwei Monate Zeit, auf die Bedenken der EU-Kommission zu reagieren. Werden die Bedenken nicht ausgeräumt, droht Ungarn erneut eine Klage vor dem EuGH.

Verfahren in Luxemburg sind für Ungarn mittlerweile zur Normalität geworden. Die letzte Niederlage verzeichnete Budapest Anfang Oktober, als der EuGH das Hochschulgesetz kippte, das von Orbán dazu eingesetzt wurde, um die vom US-Investor George Soros gegründete Central European University zu vertreiben – die CEU hat in der Zwischenzeit ihre Zelte in Wien aufgeschlagen. Im Juni erklärten die Höchstrichter das (ebenfalls gegen Soros gerichtete) NGO-Gesetz für EU-rechtswidrig, das Nichtregierungsorganisationen, die Spenden aus dem Ausland erhalten, zur behördlichen Registrierung verpflichtete. In beiden Fällen versprach Budapest, die Urteile zu achten.

Die Front im Kampf um Rechtsstaatlichkeit in der EU hat sich indessen verlagert. Momentan verhandeln Europaparlament und Rat über den Haushaltsrahmen 2021 bis 2027, der erstmals die Option enthalten soll, Verstöße gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit mit Kürzungen der EU-Mittel zu ahnden. Die Nationalpopulisten in Budapest und Warschau lehnen das ab. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2020)

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