Bankenbranche

Banken wollen unbedingt Dividenden zahlen

Die größten europäischen Banken vermitteln nicht den Eindruck, dass Europa in einer Pandemie und tiefen Krise steckt.
Die größten europäischen Banken vermitteln nicht den Eindruck, dass Europa in einer Pandemie und tiefen Krise steckt. Getty Images
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Die größten europäischen Banken vermitteln nicht den Eindruck, dass Europa in einer Pandemie und tiefen Krise steckt. Nun wollen sie trotz der Warnungen von Bankenaufsehern ihre Dividenden ausschütten.

Frankfurt. Im dritten Quartal haben zehn der größten Banken der Region das geringste Volumen an Rückstellungen für zweifelhafte Kredite seit Beginn der Coronavirus-Pandemie gebildet – insgesamt 8,6 Milliarden Dollar, ein Fünftel der Risikovorsorge von 39,8 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr. Gleichzeitig führen Banken wie Spaniens Banco Santander ihre Finanzstärke als Argument an, um die Aufsichtsbehörden zu bewegen, wieder Dividendenzahlungen zu erlauben. Häuser wie die Deutsche Bank sprechen sich für größere Bonuszahlungen für Anleihehändler aus, die Super-Erträge eingefahren haben.

Der von europäischen Banken angeschlagene Ton steht in starkem Kontrast zu der sich verschlechternden Lage bei den Corona-Neuinfektionen und Beschränkungen, die mehr wirtschaftliche Belastungen mit sich bringen könnten. Die Forderungen der Banken kommen zu einem Zeitpunkt, da mit dem Geld der Steuerzahler die Auswirkungen der Lockdowns abgemildert werden, die Unternehmen in die Pleite treiben und Millionen Beschäftigte arbeitslos machen können. Angesichts dieser Diskrepanz riskieren die Banker einen Kollisionskurs mit den Aufsichtsbehörden.

Kreditausfälle nur eine Frage der Zeit

„Wir befinden uns in einer sehr negativen Lage voller Unsicherheit, und jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, das Dividendenverbot aufzuheben“, sagt Antonella Sciarrone Alibrandi, Professorin an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand. „Es gibt einen gewissen Widerspruch, wenn die Banken Flexibilität bei den Regeln und den Rückstellungen für notleidende Kredite fordern, gleichzeitig aber die Zahlungen von Dividenden und großen Boni wieder aufnehmen wollen.“

Die Banken erhielten beispiellose Erleichterungen durch die Aufsichtsbehörden, die Kapital für die Absorption von Verlusten oder für die Finanzierung von Krediten freisetzten. Am Donnerstag erinnerte die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, die Banken daran, dass die Erleichterungen an Bedingungen geknüpft seien. Die Kreditinstitute müssten helfen, alle Sektoren der Wirtschaft zu finanzieren und nicht nur die großen Unternehmen. Die EZB-Chefin verwies auf die sich verschlechternde Lage in der Region. Sie warnte, dass einige Banken Unternehmen Darlehen zu weniger günstigen Bedingungen herausreichten und dass höhere Risikoeinschätzungen die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe belasten könnten.

„Kreditrisiko hat derzeit oberste Priorität“, sagte EZB-Bankenaufsichtschef Andrea Enria auf einer Konferenz am Mittwoch. Er riet den Banken, nicht bis zu einer Verschlechterung der Lage zu warten, um Kunden zu ermitteln, die Finanzschwierigkeiten bekommen könnten. „Es ist eine Frage, wann und nicht ob sich die Aktiva-Qualität der Banken in dieser Krise verschlechtern wird“, sagte der Gouverneur der spanischen Notenbank, Pablo Hernández de Cos.
Banker führen an, dass sie ihre Aufgabe erfüllen, die Aufseher sie aber bestrafen wollen und die Lage verschlimmern könnten, da sie das Vertrauen der Anleger untergraben.

„Seit Beginn der Pandemie haben wir die Kreditvergabe ausgeweitet, wir stellen umfassend Liquidität zur Verfügung“, sagte der Santander-CEO José Antonio Álvarez auf einer Telefonkonferenz am Mittwoch. „Wir erzielen weiterhin Ergebnisse, und auf dieser Basis bitten wir sie (die EZB), uns die Ausschüttung von Dividenden zu erlauben.“

Konfrontation steht bevor

Die Banken Barclays, Standard Chartered und HSBC haben auch ihre finanzielle Solidität angeführt als Argument für eine Wiederaufnahme von Ausschüttungen im nächsten Jahr. Die Schweizer Banken UBS und Credit Suisse wollen 2021 die Erträge für die Aktionäre erhöhen und haben Rückkäufe im Gesamtvolumen von mehr als drei Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt.

Die EZB und die Bank of England werden voraussichtlich Ende des Jahres ihre De-facto-Dividendenverbote überprüfen. Die führenden Schweizer Banken haben es einfacher und dürfen in diesem Jahr ihre Ausschüttungen auf zwei aufteilen.

„Die Banken sehen derzeit extrem gut aus, weil die Regierungen die größten Belastungen aus der Krise abfedern“, sagte Jörg de Vries-Hippen, Chief Investment Officer von Allianz Global Investors. „Ich wäre an Stelle der Politik oder der EZB extrem vorsichtig, diesen Weg einzuschlagen und ihnen bereits jetzt Dividendenzahlungen zu erlauben, selbst wenn sie sich dies wünschen.“

Bonuszahlungen machen zwar einen geringeren Anteil der Kapitalabflüsse der Banken aus als Dividenden, doch die Performance-Prämien sind umstritten. Die EZB hat deutlich gemacht, von den Banken im Euroraum bei der variablen Vergütung eine extreme Mäßigung zu erwarten, um Kapital zu erhalten. Die Wertpapierhäuser könnten somit auf einen Konfrontationskurs mit den Aufsichtsbehörden zusteuern. (Bloomberg)

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