Wien

Ermittlungen gegen tschetschenische Sittenwächter

Eine Gruppe von tschetschenischen Flüchtlingen war in Wien als sogenannte Sittenwächter unterwegs, die Polizei führte Struktur-Ermittlungen.

„Jede Form von Parallelgesellschaft ist in unserem Land nicht tolerierbar. Alleine das Selbstverständnis von ,Sittenwächtern‘ widerstrebt unserem friedlichen Zusammenleben. Wir lassen uns unsere demokratischen Grundprinzipien nicht von solchen perfiden und selbst ernannten Ideologen unterwandern.“ Dies sagte am Dienstag Innenminister Karl Nehammer anlässlich einer Bilanz nach Ermittlungen gegen sogenannte Sittenwächter.

So war bei Ausschreitungen im Zuge von Demonstrationen in Wien-Favoriten im August ein 20-jähriger Tschetschene mit einer Schreckschusspistole festgenommen worden. Über den Mann war wegen des Verdachts des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der schweren Körperverletzung die U-Haft verhängt worden, die seither andauert. Es stellte sich heraus, dass der Verdächtige bereits 2018 als Mitglied einer Terrororganisation zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war, aber nur ein Drittel der Haft absitzen musste. Wie Ermittlungen des Wiener Landeskriminalamtes ergeben haben, ist der Verdächtige auch der Kopf der in Wien in Erscheinung tretenden Sittenwächter. Diese schüchtern junge Frauen aus Tschetschenien ein, wenn diese beginnen einen westlichen Lebensstil zu pflegen; allein das Auftragen von Lippenstift konnte zuletzt für einige Mädchen gefährlich werden. Junge Männer, die mit den Frauen in Kontakt traten, mussten Misshandlungen fürchten. Zuletzt waren auch – unabhängig von dieser Tätergruppe – vier tschetschenische Sittenwächter verurteilt worden, die in der „Millennium City“ (20. Bezirk) unterwegs waren und zwei Personen brutal attackiert und verletzt hatten.

Bezüglich der nun unter Verdacht stehenden Bande – der Anführer nannte sich Heinrich Himmler – wurden von der Polizei folgende Details bekannt gegeben: Elf Täter wurden ausgeforscht. Vier sind noch in U-Haft. Die Verdächtigen kommunizierten unter Decknamen über Telegramm-Messenger-Gruppen. Junge Tschetscheninnen wurden von der Gruppe beobachtet und waren auch in den Chats die Personen, über die sich die mutmaßlichen Täter austauschten. Das diesmalige „Einsatzgebiet“ der jungen Männer war das Shopping Center „Donauzentrum“ (22. Bezirk).

Neuauflage für Terror-Prozess in Wien

Indessen muss der Terrorprozess gegen den Tschetschenen Adam S. wiederholt werden. Der 32-Jährige, der durch eine Sprengfalle sein Augenlicht verloren hat, gehörte der radikalislamischen Terrorgruppe Emirat Kaukasus an. Er wurde, wie berichtet, im Juli wegen versuchten Mordes, begangen im Rahmen einer Terrorvereinigung, zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Nun hatte die wegen eines Formfehlers eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde seines Verteidigers Wolfgang Blaschitz posthum Erfolg. Blaschitz wurde vor wenigen Tagen tot in seinem Auto aufgefunden – offenbar hatte er einen Herzinfarkt erlitten.

Die Anordnung des Obersten Gerichtshofes, wonach der Prozess wiederholt werden muss, erging weil Gerichtssaal-Routinier Blaschitz erkannt hatte, dass der Obmann der Geschworenen (unmittelbar vor der richterlichen Verkündung des Urteils) bei Verlesung der an die Geschworenen gerichteten Fragen nur die Überschriften derselben, nicht aber den gesamten Wortlaut vorgetragen hatte. Es steht aber in der Strafprozessordnung, dass der Obmann „bei sonstiger Nichtigkeit“ die Fragen und den Wahrspruch zu verlesen hat. Der OGH meinte nun: "Ein nachteiliger Einfluss dieser Formverletzung auf die Entscheidung kann nicht unzweifelhaft verneint werden, weil die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit nicht unerheblich beeinträchtigt worden sein kann."

(m. s./APA)

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