Rechtspsychologie

Täter verstehen ist nur ein Teilaspekt

Die richtige Befragung von Zeugen und Verdächtigen ist ein Aspekt der Rechtspsychologie.
Die richtige Befragung von Zeugen und Verdächtigen ist ein Aspekt der Rechtspsychologie.Getty Images
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Das Fachgebiet an der Schnittstelle zwischen Seele und Staat ist vielfältig und reicht von Vernehmungstechnik und Prävention bis zur juristischen Entscheidungsfindung.

Es sind nicht amerikanische Krimiserien, die das Interesse an der Rechtspsychologie fördern, sondern eher reale, medial aufsehenerregende Ereignisse wie der Fall Fuchs oder der Fall Unterweger“, sagt Gerhard Mitterbauer. Er unterrichtet im Lehrgang Rechtspsychologie an der Akademie für angewandte Psychologie. Die Rechtspsychologie befasst sich mit dem, was dem Rechtswesen zur Beurteilung von (Straf-)Taten dient. „Ein großer Teil davon sind Gutachten oder Befunde, die das Tätermanagement unterstützen, die Gefährlichkeit von Tätern einschätzen“, sagt Mitterbauer. Auch für den Maßnahmenvollzug, etwa bezüglich der Einweisung in die richtige Institution, sind Rechtspsychologen wichtig.

Grundsätzlich führt in Österreich der Weg in die Rechtspsychologie über das Masterstudium Psychologie. Danach kann man sich durch Fort- und Weiterbildungen beziehungsweise Praktika oder Berufserfahrung bei Exekutive oder Justiz in diesem Bereich spezialisieren. Einen Bachelor in diesem Fach bietet nur das Fernstudium Social Policy and Criminology an der Open University. Weiterführend kann man an der Med-Uni Wien den Masterlehrgang Forensische Wissenschaften belegen. Die österreichische Akademie für Psychologie bietet Fortbildungen zum gerichtlichen Sachverständigen an. 2021 ist eine Vortragsreihe zu Themen wie Gefährlichkeitsprognose, Störungsbildern sowie Deeskalationsprogrammen geplant.

Fachgebiet mit Schutzfunktion

Besonders spannend an dieser Wissenschaft ist, dass Opfer von Sexual- oder Gewaltdelikten geschützt werden, sagt Eleonora Hübner, Assistenzprofessorin am Fachbereich Strafrecht und Strafverfahrensrecht an der Universität Salzburg: „Auf der anderen Seite ist die Forensische Aussagepsychologie auch für die Unschuldigen unerlässlich, die vor Falschbeschuldigungen samt ihren katastrophalen Folgen, auch in menschlicher und sozialer Hinsicht, geschützt werden sollen.“ Die Juristin beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit Rechtspsychologie und findet es faszinierend, „sich unter anderem mit den Gründen für die Fehleranfälligkeit des Personenbeweises, beispielsweise der Zeugenaussage, zu befassen.“ Zusätzlich sei die Frage interessant, wie die Person richtig vernommen werden soll. Hier spielen etwa Sitzordnung, Fragetechnik, die Problematik von Suggestivfragen eine Rolle. Juristen und Psychologen können dieses Thema an der Uni Salzburg in Lehrveranstaltungen aus dem Bereich der Forensischen Aussagepsychologie, der Kriminal- und Rechtspsychologie und dem Berufsrecht für Psychologen am interfakultären Fachbereich für Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie vertiefen.

Blick in die „Abgründe“

Auch an der JKU Linz decken Lehrveranstaltungen einige Bereiche der Rechtspsychologie ab, insbesondere als Teil des Jus-, Psychologie- oder Soziologiestudiums. „Viele finden es spannend, in die ,Abgründe‘ der menschlichen Psyche zu blicken, und denken dabei als Erstes an Täterpsychologie. Sie möchten verstehen, warum jemand etwas getan hat“, sagt Susanne Schmittat, Universitätsassistentin am Fachbereich Strafrecht und Rechtspsychologie. Dabei sei das Spektrum viel breiter. Neben den erwähnten Zeugenaussagen gehe es auch um Vernehmungstechnik, juristische Entscheidungsfindung oder familienpsychologische Begutachtungen. „Und es wird in allen Bereichen geforscht, wobei der deutschsprachige Raum noch aufholen muss. Die meiste Forschung kommt aus den USA, Kanada oder dem Vereinigten Königreich und ist sicherlich nicht immer auf unser Rechtssystem übertragbar, auch wenn die psychologischen Mechanismen unabhängig sind.“

Offenheit und Interesse für Menschen und ihre Handlungsweisen brauchen jene, die sich mit Rechtspsychologie beschäftigen (wollen), sagt Marion Kronberger, Vizepräsidentin des Berufsverbandes österreichischer PsychologInnen BÖP: „Es sollte die Bereitschaft vorhanden sein, sich auf andere Wertehaltungen, Kulturen und Verhaltensweisen einzulassen.“ Dass sich Menschen für den Ursprung des „Bösen“ interessieren, führt sie darauf zurück, dass dieses Verstehen zu einem persönlichen Schutzgefühl beiträgt. Sie sieht die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von Rechtspsychologen bei Gericht, im Strafvollzug, aber auch bei Anti-Gewalt-Trainings oder Folgeschulungen nach Verkehrsdelikten.

INFORMATION

Informationsabend: „Kriminal- und Rechtspsychologie oder: Die berufliche Vielfalt dieser Wissenschaften – auch für eine Juristin“, 5. und 11. Dezember, 16.30 Uhr bis 19.00 Uhr

www.plast.at/veranstaltungskalender

Weitere Links (Auswahl):

www.aap.co.at

www.uni-salzburg.at

www.jku.at

www.psychologieakademie.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2020)

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