Buchbesprechung

„Beinahe Alaska“: Die Rückkehr zu sich selbst

(c) Mare-Verlag
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Arezu Weitholz überrascht mit einem Reiseroman, der die Natur des hohen Nordens eindrücklich schildert und zudem Einsicht in die Natur des Menschen gibt.

Eine alleinstehende Fotografin Mitte 40 ist auf dem Weg in die Arktis – auf einem Expeditionsschiff der Luxusklasse, zusammen mit Dutzenden anderen Reisenden. An Bord sind Menschen, die eine Begeisterung für die Natur des Nordens haben, exotische Fotos für ihren Instagram-Kanal sammeln oder die Nordwestpassage von Grönland nach Alaska endlich von ihrer „Must-see“-Liste abhaken wollen. Anders die Erzählerin: Sie hat sich auf die zweieinhalbwöchige Reise gemacht, um sich selbst wieder näherzukommen, um Schicksalsschläge zu verarbeiten. Doch die Leere bleibt für sie leer. „Hier waren sie nun, die unberührten Steine (. . .), die tosende Brandung, die Berge, der Nebel, die Sedimente. Und was dachte ich? Ich dachte: Es ist kalt.“ Stattdessen nerven redselige Passagiere, das Essen und die Folklore-Shows.

Arezu Weitholz hat einen Roman über eine Suchende verfasst, dessen distanziert-ironischer Ton mit der kargen Landschaft korrespondiert. Außergewöhnlich sind ihre Beschreibungen der Elemente, treffsicher die Dialoge. Man merkt Weitholz ihre Vergangenheit als Song-Texterin an (u. a. für Grönemeyer und die Toten Hosen). Jenseits von Small Talk und Sprachlosigkeit findet die Reisende doch Verbündete – etwa einen schwerkranken Journalisten, mit dem sie Neufundland erkundet. Als das Schiff vor dem Eis kapituliert und umkehren muss, meutern die Passagiere. Die Erzählerin aber gewinnt eine wichtige Einsicht: Planänderungen im Leben sind immer auch neue Chancen.

Arezu Weitholz: „Beinahe Alaska“, Mare-Verlag, 192 S., 20,90 Euro

(som/"Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2020)

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