Strafrecht

Frankreichs Regierung billigt Gesetzespaket gegen Islamismus

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FRANCE-EGYPT-DIPLOMACYAPA/AFP/BERTRAND GUAY
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Premier Jean Castex spricht vom entschlossenen Vorgehen gegen eine „gefährliche Ideologie". Sanktionen etwa bei Kopftuchzwang, Hassaufrufen und Fernhalten von Mädchen vom Unterricht geplant.

Nach den jüngsten Anschlägen von Nizza und Paris und zahlreichen anderen brutalen Vorfällen in den vergangenen Jahren hat das französische Kabinett ein umfassendes Gesetzespaket gegen den Islamismus auf den Weg gebracht. Die am Mittwoch beschlossene Vorlage mit mehr als 50 Artikeln, die noch durchs Parlament muss, sieht unter anderem harte Strafen bei Aufrufen zu Hass und Gewalt gegen Personen im Internet vor.

Damit reagiert die Regierung auf die Ermordung des Lehrers Samuel Paty bei Paris, der Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hatte. Paty war vor seiner Enthauptung durch einen Islamisten aus Tschetschenien Mitte Oktober massiv online bedroht worden, auch sein Name und seine Schule wurden genannt.

Premierminister Jean Castex sagte, das Gesetzespaket mit mehr als 50 Artikeln wolle der "gefährlichen Ideologie (...) des radikalen Islamismus" einen Riegel vorschieben. Die Grundzüge des geplanten Gesetzes gehen auf Präsident Emmanuel Macron zurück. Der will unter anderem schärfer gegen Moslems vorgehen, die Mädchen vom Unterricht fernhalten oder zum Tragen eines Kopftuchs zwingen. Zudem sollen französische Moscheen unabhängiger von ausländischen Einflüssen werden.

Religiös motivierte Praktiken untersagbar

Strafbar macht sich künftig, wer "das Leben eines Anderen durch Verbreitung von Informationen über dessen Privat- und Familienleben oder seinen Beruf in Gefahr bringt". Es drohen bis zu drei Jahre Haft und eine Geldstrafe von 45.000 Euro - sind die „Zielscheiben" Beamte, drohen noch höhere Strafen. Kritiker wenden hier indes ein, mit diesem "Paty-Paragraphen" könnte auch schlichte Kritik an der Regierung oder der Polizei unter Strafe gestellt werden.

Die Präfekten der Regionen sollen bestimmte religiös motivierte Praktiken, die mit der öffentlichen Ordnung und der prinzipiellen Grundlebenshaltung in Frankreich nicht übereinstimmen, innerhalb von 48 Stunden verbieten können. Als Beispiel nannte Innenminister Gérald Darmanin separate Schwimmbadzeiten für Frauen und Männer: Eine solche Regelung sei "nicht vereinbar mit den Werten der Republik".

Ärzten, die „Jungfräulichkeits-Atteste" ausstellen, drohen ein Jahr Haft und eine Geldbuße von 15.000 Euro. In Frankreich gab es Fälle, da moslemische Männer versuchten, ihre Ehe wegen angeblich fehlender Jungfräulichkeit der Gattin bei der Heirat annullieren zu lassen. Auch Polygamie und Zwangsehen soll ein stärkerer Riegel vorgeschoben werden, Standesbeamte sollen die Motivation der Ehepartner im Zweifelsfall hinterfragen. Nach Angaben der Regierung leben schätzungsweise rund 200.000 Frauen in Frankreich in Zwangsehen.

Macron will den Islam in Frankreich von ausländischen Einflüssen befreien. So sollen Geldzuflüsse aus Ländern wie der Türkei, Marokko und Saudiarabien stärker kontrolliert werden. Begünstigte Moscheen und Vereine sollen zu stärkerer Transparenz hinsichtlich der Spenden verpflichtet werden. Davon ist voraussichtlich auch der türkische Dachverband Ditib betroffen, der wegen seiner Nähe zu Präsident Recep Tayyip Erdogan auch in Deutschland umstritten ist.

Künftig sollen neben Beamten auch auf privatrechtlicher Basis beschäftigte Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes dem Gebot der "Neutralität" unterworfen sein. Sie sollen etwa keine "religiösen Zeichen" wie etwa ein Kopftuch tragen dürfen. Davon betroffen sind rund 100.000 Menschen, vom Flughafen-Mitarbeiter bis zur Busfahrerin, und im Prinzip nicht nur moslemische Kopftuchträgerinnen, sondern auch etwa jüdische Männer (Kippa) und männliche Sikhs (Turbans).

Wehklagen über „Islamfeindlichkeit"

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Macron in diesem Zusammenhang scharf kritisiert. Zudem hat es Massenproteste in gewissen moslemischen Ländern wie Pakistan und Indonesien gegen Macron und Frankreich wegen vorgeblicher Islamfeindlichkeit gegeben.

(APA/AFP)

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