Pizzicato

Grau kann so bunt sein

Greber
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Wochenlang Nebel kann einen schon verstimmen. Oder auch nicht, wenn man genauer hinschaut. Eine rosarote Brille hilft auch dabei.

Grau. Grau. Grau. Seit Wochen hängt die graue Decke aus Wolken und Nebel am Himmel und macht den Lockdown doch klar härter als im Frühjahr. Der Soundtrack dazu stammt von Madness („Grey Day“), The Cure („All Cats Are Grey“), Visage („We Fade To Grey“) und der legendären Schweizer 80er-Jahre-Band Grauzone („Eisbär“) generell. Und von New Model Army mit dem großen Song „Green And Grey“.

Hm. Das erinnert mich jetzt an diese Kellnerin in dem Gasthaus in Ecuador, hoch oben in den Anden. Eine Inka, unheimlich schön, langes blauschwarzes Haar, perfekte Zähne wie eine Gletscherfront, und in dem glatt wie aus karamellfarbigem Alabaster geschnittenen Gesicht mit der edlen Adlernase silbergraue Augen – mit einem moosigen Grünstich. Augen zum Hineinstürzen. Eine Erscheinung, die sprachlos machte.

Grau kann so schön sein. Wenn's etwa an meinem Bodensee trüb ist, liefern einander dort Himmel und Wasser einen Grau-Wettstreit, da ist quecksilbriges Grau, Aschgrau, Betongrau, Schiefergrau, Taubengrau, blaustichiges Rauchgrau, dumpfes Bleigrau, mattes Nickel- und Zinkgrau, glänzendes Wolfram- und Zinngrau, und leuchtet die Sonne zwischendurch einmal heller, gleißt der Himmel in Magnesium-, ja Silbergrau. Grau sind auch die Straßen, über die man in die Ferne rauscht, ich mag Käse mit grauen Rinden (etwa Tomme de Savoie, Cornish Yarg) und meine vereinzelten grauen Haare.

Sehen Sie: Man muss das Grau nur ein bisschen durch die rosarote Brille sehen. Dann wird's richtig bunt! (wg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2020)

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