Dokuserie

Nicolas Cages Plädoyer für das „Fuck“-Sagen

Adam Rose/Netflix
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Im US-Fernsehen darf man nicht fluchen, im Streaming schon: Das kostet Netflix genüsslich aus und erzählt „Die Geschichte der Schimpfwörter“ unter Zuhilfenahme von vielen solchen. Heißer Scheiß? Eher nicht.

Es ist natürlich nichts dran am Mythos von „Fornication under Consent of the King“, akronymisiert „F.U.C.K.“, als Ursprung des beliebtesten und vielseitigsten englischsprachigen Kraftausdrucks. Auch wenn die Mär vom königlich bewilligten unehelichen Beischlaf interessante Vorstellungen weckt: Galt so ein Freibrief dann für alle Sexualpartner oder nur bestimmte Paarverbindungen? Musste bei Kontrollen ein Dokument vorgewiesen werden? Die Netflix-Dokuserie „Die Geschichte der Schimpfwörter“ spielt ein solches Szenario in einer kurzen Animation durch, um dann festzustellen: alles „Bullshit“. Ein eleganter Anstrich macht Profanes nicht erhabener.

Das kann man auch über die Produktion selbst sagen, die sich in sechs 20-minütigen Episoden je eines meist einsilbigen Begriffs aus der harmloseren Ecke des englischen Schmähvokabulars annimmt. Rassistische oder homophobe Ausdrücke kommen hier nicht vor, sondern nur solche, die man (außer im linearen US-Fernsehen) lustvoll zelebrieren und sich dabei ein bisserl verwegen vorkommen kann. Zeremonienmeister ist der Schauspieler Nicolas Cage, der sein über Jahrzehnte kultiviertes „Overacting“ einsetzt. Wenn er „Fuck“ in den Himmel brüllt, spürt er wohl die Hölle in sich brodeln. Meistens sitzt er aber zurückgelehnt im Ledersessel, schreitet vor dunklen Bücherregalen auf und ab oder mixt sich gravitätisch einen Drink: „Sugar, Honey, Iced Tea“. Noch so ein Akronym. Geh bitte: Wer süßt seinen Eistee mit Zucker und Honig?

Die Serie will eine Lanze brechen für einen entspannten und informierten Umgang mit Schimpfwörtern, indem sie – im ultrareduzierten Schnelldurchlauf, illustriert mit Filmszenen und Animationen – deren Bedeutungsgeschichte erzählt. Da wird etwa erklärt, wie aus „bicce“, dem Wort für eine Hündin, eine Herabwürdigung für als lästig oder promiskuitiv wahrgenommene Frauen wurde. Oder wie sich Bedeutungen verkehren können, wenn sich Gruppen bestimmte Wörter zurückerobern, wenn „this shit“ etwas Begehrenswertes wird und „bitch“ ein Kosename für selbstbewusste Freundinnen.

Komiker vor der Tapete

Schimpfwörter sind super, sie wirken kathartisch, sie zu unterdrücken zeugt nur von moralischer Überheblichkeit, überhaupt hängt alles vom Kontext ab: Diese Jo-eh-Botschaft wird von Psychologen und Lexikografen überbracht. Verdeutlichen dürfen sie Komiker, darunter Sarah Silverman und Nick Offerman. Man setzt sie vor eine Tapete, wie es im Boulevard-TV einst modern war. Dort können sie fröhlich fluchen, während sie ihren eigenen Schimpfwortgebrauch analysieren. Eine der Spaßmacherinnen erläutert, warum gerade das Wörtchen „fuck“ im Hiphop der 1980er (etwa in N.W.A.s „Fuck Tha Police“) und im politischen Protest eine solche Bedeutung erlangt hat. Ihre Erkenntnis: „Because it is the swear word that carries the most emotion.“ Na wirklich!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2021)

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