Brexit

London verweigert EU diplomatische Anerkennung

Die britische Regierung will Botschaftsangehörige der EU-Vertretung in London nicht als Diplomaten anerkennen.
Die britische Regierung will Botschaftsangehörige der EU-Vertretung in London nicht als Diplomaten anerkennen.APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Die britische Regierung will Botschaftsangehörige der EU-Vertretung in London nicht als Diplomaten anerkennen und tritt damit in die Fußstapfen von Ex-US-Präsident Donald Trump.

London/Wien. Die Hoffnungen auf eine Rückkehr zu normalen Verhältnissen nach dem endgültigen Abschied Großbritanniens vom Binnenmarkt der EU zum Jahreswechsel haben sich bis dato nicht erfüllt – immer noch ist die Haltung der in London regierenden konservativen Tories zu Europa von Irritationen und Irrationalitäten geprägt.

Das jüngste exemplarische Beispiel dafür ist das Hickhack zwischen London und Brüssel um den diplomatischen Status der EU-Vertreter in Großbritannien. Demnach verweigert die Regierung von Boris Johnson den Vertretern der EU in London die Anerkennung als Botschaftsangehörige – mit dem Argument, die EU sei kein Staat, sondern lediglich eine internationale Organisation.

Das britische Argument hat mindestens zwei Schwachstellen. Erstens werden EU-Botschafter weltweit als solche anerkannt und nicht schlechter behandelt als Botschafter von Staaten – und die EU verfügt mittlerweile über 142 diplomatische Niederlassungen rund um den Globus. Und zweitens hat sich Großbritannien noch als EU-Mitglied im Jahr 2010 (als im Zuge der Lissabon-Reform der diplomatische Korps der EU gegründet wurde) für die Gleichbehandlung von EU-Diplomaten ausgesprochen. Der einzige Präzedenzfall, auf den Johnson verwiesen hat, ist Ex-US-Präsident Donald Trump, der ursprünglich EU-Vertreter in den USA diplomatisch degradieren wollte – aber schlussendlich von seinem eigenen Stab davon abgebracht werden konnte.

Dass die Tories noch keinen rationalen Zugang zu ihren europäischen Nachbarn gefunden haben, bezeugt auch eine Blitzumfrage des Instituts Savanta ComRes unter Abgeordneten des Unterhauses: Während das britische Parlament das Ende der Personenfreizügigkeit mit der EU besiegelt hat, sprechen sich 60 Prozent der befragten Abgeordneten für die Einführung der Personenfreizügigkeit mit den ehemaligen britischen Kolonien Kanada, Australien und Neuseeland aus.

Angst vor britischem Zuzug

Inwieweit dieser Wunsch auf Gegenliebe stößt, bleibt abzuwarten. Anfang 2020, kurz vor dem Ausbruch der Coronapandemie, hat die australische Regierung diesbezüglich Zurückhaltung signalisiert – aus Sorge, die Grenzöffnung würde zum Massenexodus schlecht gebildeter und minderqualifizierter Briten nach Australien führen. Ähnliche Bedenken hat davor auch Neuseeland geäußert.

Während das Tory-Projekt „Reisefreiheit Richtung Übersee“ also noch in Kinderschuhen steckt, gibt es punkto Reisefreiheit nach Europa gehörige Probleme. Die Vorwürfe britischer Musiker, London habe bei den Verhandlung des Handels- und Partnerschaftsabkommens mit der EU ihre Interessen vernachlässigt, prallten an der Regierung ab. Die Entertainer sollten stattdessen „ihre Starqualitäten“ dazu einsetzen, Brüssel davon zu überzeugen, ihnen die Reisefreiheit in der EU zu ermöglichen, sagte Kulturminister Oliver Dowden. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2021)

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