Halbleiter

Die Autobauer in der „Chip-Krise“

Der Autobauer VW musste wegen Halbleiter-Engpässen schon die Produktion drosseln.
Der Autobauer VW musste wegen Halbleiter-Engpässen schon die Produktion drosseln. Reuters
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In der Coronakrise wurden Computerchips zum begehrten und knappen Gut. Wegen des Mangels müssen große Autokonzerne die Produktion drosseln. Die Politik schaltet sich ein.

Wien. Um fast ein Viertel schrumpfte der Pkw-Markt in der EU voriges Jahr. Doch als wäre die Coronakrise nicht genug, spitzt sich in der Autobranche ein anderer Konflikt zu: Ein Mangel an Halbleitern bringt die Autobauer in Deutschland zunehmend unter Druck. Immer mehr Unternehmen müssen die Produktion drosseln und Tausende Mitarbeiter auf Kurzarbeit setzen. Betroffen sind aktuell vor allem Daimler und Volkswagen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Wochenende von „akuten Lieferengpässen“ bei den begehrten Computerchips.

Die Autohersteller haben schlicht nicht genug Halbleiter, die sie in ihren Autos verbauen können. Für die unter „Chip–Krise“ gehandelten Engpässe gibt es mehrere Gründe. Der Bedarf an Halbleitern ist zuletzt kräftig gestiegen. Durch den Trend zum Home-Office wächst die Nachfrage nach IT-Produkten und damit nach Computerchips. Das gleiche trifft auf die Autobranche selbst zu. Bekanntlich werden Autos zunehmend zu Computern auf Rädern, was ebenfalls den Bedarf treibt.

Der Mangel ist aber auch hausgemacht. In der Coronakrise des vorigen Jahres kürzten die Autobauer ihre Bestellungen bei den Halbleiterkonzernen ein. Dann lag die Nachfrage aber höher als erwartet. VW leidet unter dem Lieferengpass besonders: Seit Dezember gibt es dort Produktionskürzungen und Kurzarbeit an Standorten in China, Nordamerika und Europa. Betroffen sind laut Nachrichtenagenturen Fahrzeuge der Marken VW und VW-Nutzfahrzeuge sowie Skoda, Seat und Audi.

Engpass wird zur Chefsache

Nun prüft VW Schadenersatzansprüche gegen seine Zulieferer Bosch und Continental. Laut der „Automobilwoche“ spreche VW inzwischen auch mit möglichen alternativen Lieferanten, um gegen den Mangel an Computerchips anzukommen. An den entstehenden Mehrkosten wolle Volkswagen sowohl Bosch als auch Continental beteiligen. VW wollte sich zu dem Bericht nicht offiziell äußern. Doch auch der „Spiegel“ berichtete über „Unmut“ zwischen VW und seinen beiden großen Zulieferern wegen fehlender Chips.

Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Chip-Krise am Wochenende zur Chefsache erklärt. In einem Brief an die Regierung in Taiwan betont Altmaier die Bedeutung des in Taiwan ansässigen Halbleiterherstellers TSMC als zentraler Lieferant der deutschen Autobauer. Diese sprächen bereits mit TSMC, um eine Lösung für die Versorgungsprobleme zu finden. Ziel sei es, zusätzliche Lieferungen zu ermöglichen: „Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dieses Anliegens annehmen und gegenüber TSMC die hohe Bedeutung zusätzlicher Kapazitäten an Halbleitern für die deutsche Automobilindustrie unterstreichen könnten“, schreibt der deutsche Minister an die taiwanesische Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua. Das Ministerium in Taiwan wollte den Bericht zunächst nicht kommentieren. Doch es seien bereits über diplomatische Kanäle Bitten aus anderen Ländern an die Regierung herangetragen worden, Hilfe zur Linderung der Engpässe zu leisten.

Mangel dürfte andauern

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Berlin sagte, mittelfristig sei es „wichtig und entscheidend“, die Kapazitäten in Deutschland und Europa auszubauen. Das Ministerium setze sich für den Ausbau der Förderung im Bereich der mikroelektronischen Kommunikationstechnologien und für eine Stärkung der „digitalen Souveränität“ und den Erhalt der europäischen Wirtschaft ein.

Neben den Folgen der Pandemie ist auch der vom scheidenden US-Präsidenten entfachte Handelskrieg mit China ein Hauptgrund für die Chip-Flaute. Die ohnehin an der Kapazitätsgrenze arbeitenden chinesischen Halbleiterhersteller kamen dadurch zusätzlich in Bedrängnis. Wegen der hohen Nachfrage nach Unterhaltungselektronik in Coronazeiten können sie ihre Produktion nicht einfach auf Autochips umstellen, um den steigenden Bedarf der Autobauer zu bedienen. Experten gehen deshalb davon aus, dass der Mangel an Halbleitern für die Automobilindustrie bis zu sechs Monate anhalten wird. Der Weltmarkt für Halbleiter wuchs 2020 trotz der Coronakrise auf knapp 430 Mrd. Dollar, so die Daten des deutschen Zentralverbands der Elektronikindustrie (ZVEI). (hie/Ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2021)

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