Bildung

Kampf gegen Lerndefizite: Zwei Stunden extra

Zurück zum Präsenzunterricht lautet das Ziel.
Zurück zum Präsenzunterricht lautet das Ziel. (c) Clemens Fabry, Presse
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Eine Verkürzung der Sommerferien und eine Wiederholung des Schuljahres kommen für Minister Heinz Faßmann nicht infrage. Mehr Förderung braucht es aber.

Mit jedem Tag, an dem sich die Schüler länger im Fernunterricht befinden, steigt die Sorge vor Lernverlusten. Wie sollen Kinder, deren Eltern nicht mit ihnen lernen (können), oder Jugendliche, deren Onlineunterricht zu wünschen übrig lässt, ihre Wissenslücken füllen? Auf diese Frage haben Lehrer, Wissenschaftler und Politiker in den vergangenen Tagen höchst unterschiedliche Antworten gegeben. Die einen wünschten sich mehr Unterrichtsstunden, die anderen eine Verkürzung der Sommerferien und so mancher sprach sich gar für die Wiederholung des gesamten Schuljahres aus.

Der zuständige Bildungsminister hält von all dem wenig. Heinz Faßmann (ÖVP) lehnte im „Presse“-Interview zuletzt bereits eine allgemeine Erhöhung der Unterrichtsstunden sowie eine Verkürzung der Sommerferien ab („Ich beginne Mitte Jänner keine Feriendiskussion. Das Fell wird jetzt noch nicht verteilt.“). Auch eine Wiederholung des Schuljahres brauche es, wie er am Montag klarstellte, nicht. Man würde Schülern und Lehrern damit sagen, dass alles, was sie bisher geleistet haben, nichts wert ist. „Das wäre eine geringe Wertschätzung den Lehrenden und den Schüler gegenüber.“ Sie würden derzeit viel arbeiten. Das sehe er im eigenen Haushalt. Die Ehefrau des Bildungsministers ist selbst Mathematik-Lehrerin.

Von einem „verlorenen Jahrgang oder gar einer verlorenen Generation“ zu sprechen, hält der Minister für „eine Übertreibung“. Er sehe aber sehr wohl das Problem, dass sich die Bildungsdefizite bei „ausgewählten Gruppen“ vergrößert haben. Deshalb präsentierte er ein Förderprogramm.

Der Förderunterricht

Es wird im kommenden Semester (und auch im Wintersemester des nächsten Schuljahres) zusätzlichen Förderunterricht geben. Dafür werden 200 Millionen Euro in die Hand genommen. Das Geld kommt aus dem Bildungsministerium sowie aus EU-Fonds.

Im Schnitt soll es dadurch für jede Klasse zwei Stunden zusätzlich pro Woche geben (für alle Schultypen und Schulstufen). Den Förderunterricht werden aber nicht alle Schüler einer Klasse besuchen. Es geht um eine Nachhilfe in Kleingruppen. Wer diesen Unterricht in welchen Fächern besuchen soll, wird von den Lehrern entschieden. Für die ausgewählten Schüler ist der Unterricht verpflichtend.

In der Praxis wird es nicht für jede einzelne Klasse zwei Zusatzstunden pro Woche geben. Das ist nur ein Durchschnittswert. De facto verteilt die Bildungsdirektion die Ressourcen. Für Standorte, an denen es größere Probleme gibt, wird es mehr Geld als für andere geben. (Zehn Prozent des Budgets, 20 Mio. Euro, sind außerdem für den Einsatz in Deutschförderklassen reserviert.) Auch in den Schulen selbst müssen die Ressourcen nicht gleichmäßig verteilt werden. So können etwa Anfangs- oder Abschlussklassen besonders viele Stunden erhalten. Die Entscheidung liegt bei den Direktoren.

Insgesamt werden bis Februar 2022 drei Mio. Zusatzstunden stattfinden. Geleistet werden sollen die großteils von den bisher im Einsatz befindlichen Pädagogen. Sie bekommen Überstunden ausbezahlt. Es können aber auch zusätzliche Lehrkräfte (oder Lehramtsstudenten) eingestellt werden.

Die Lernbetreuung

Zum Ausgleich der Lerndefizite sollen auch die Ferien genützt werden. Aber nur freiwillig. Bereits in den (in Wien und Niederösterreich schon am Freitag beginnenden) Semesterferien wird es eine Lernbetreuung geben. Die Anmeldung läuft in Wien und Niederösterreich noch bis Mittwoch, in den anderen Bundesländern bis Freitag, den 29. Jänner. Noch ist unklar, wie viele Schüler das Angebot nützen. Übernehmen sollen die Betreuung sich freiwillig meldende Lehrer, die dafür extra bezahlt werden, oder via Sondervertrag angestellte und entlohnte Lehramtsstudenten. Gleiches ist auch für die Osterferien geplant.

Die Sommerschule

Die neunwöchigen Sommerferien will der Bildungsminister nicht verkürzen. Zu groß ist die Sorge vor Widerstand. Doch auch hier ist ein freiwilliges Förderangebot geplant: die Sommerschule. Im Vorjahr fand sie erstmals statt. Dabei haben 22.935 Kinder in den letzten beiden Ferienwochen die Schule, vorwiegend um besser Deutsch zu lernen, besucht. Unterrichtet wurde von 1350 Lehramtsstudenten und 1600 Lehrern.

Heuer wird die Sommerschule ausgebaut. Neben Deutschförderung wird Nachhilfe in Mathematik und in der Volksschule auch in Sachunterricht geboten. Diesmal stehen 50.000 Plätze zur Verfügung. „Wenn's mehr wird, wird mich das Unglück auch nicht treffen“, sagt der Minister. Potenzial ist da. Immerhin gibt es 1,1 Millionen Schüler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2021)

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