Unterwegs

Die hässliche Wahrheit über unerreichbare Reiseziele

Im Internet erfahren wir die ganze hässliche Wahrheit über unerreichbare Reiseziele, im Bild die Seychellen.
Im Internet erfahren wir die ganze hässliche Wahrheit über unerreichbare Reiseziele, im Bild die Seychellen.Imago Images
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Im Internet erfahren wir die ganze hässliche Wahrheit über unerreichbare Reiseziele. Aber Trost ist uns das keiner.

Wie schön war es doch früher, die Vorfreude auf ein Reiseziel zu schüren! Mit Bildbänden, Hochglanzprospekten und blumigen Beschreibungen in Reiseführern, deren Autorinnen schon auf den Fotos im Klappentext rosa Brillen trugen. Seit uns die Obrigkeit das Reisen verbietet, gibt es keine Vorfreude mehr, sondern allenfalls Ersatzbefriedigung.

Dafür haben wir die Möglichkeiten potenziert, uns virtuell dem Ort der Begierde zu nähern. Aber ist das ein Fortschritt? Die Drohne, die über dem Städtchen am Meer schwebt, filmt alles: das hässliche Hochhaus, die Mülldeponie, die Betonwüste namens Großraumparkplatz. Die ärgsten Lustkiller aber sind Kommentare zu Beherbergungsbetrieben. Natürlich stürzen wir uns gleich auf die negativsten, denn positive sind ja sicher gekauft. Und da haben wir sie schon, die hässliche Wahrheit: Der Pool ist kalt, der Garten verwahrlost. Handyfotos belegen: Nicht nur in der Suppe findet sich ein Haar, sondern auch im Waschbecken. Staub, dünne Wände, durchhängende Matratzen: Unverschämt, für solche Zimmer so viel Geld zu verlangen! Ein nagelneues Hotel gilt als „kalt und steril“, ein ehrwürdiges Gemäuer ist „abgewohnt, schäbig und braucht dringend eine Renovierung“. Liegt die Immobilie ländlich abgeschieden, wimmelt es dort von Käfern, Spinnen und Gelsen. Aber Halt: Wer daraus den Schluss zieht, er sei im Lockdown zu Hause eh am besten aufgehoben, ist nur ein seliger Armer im Geiste. Wenn er solchen Unsinn postet, schreiben wir einen sehr negativen Kommentar. Und greifen seufzend zu unserem schönsten Bildband.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2021)

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