In Europa sei eine neue Angst vor China entstanden, sagt der Politologe Ivan Krastev. Im Bild eine Einkaufsstraße in Peking.
Interview

Star-Politologe Krastev: „Die Pandemie markiert den Anfang des 21. Jahrhunderts“

Der Star-Politologe Ivan Krastev im Interview über die geopolitischen Folgen der Coronakrise, die bevorstehende technologische Zweiteilung der Welt in eine amerikanische und eine chinesische Sphäre, über Joe Bidens „aggressiven Pragmatismus“ und die Fehler Europas im Umgang mit Putins alterndem Regime.

Wir durchleben eine der größten und tiefsten Krisen der jüngeren Vergangenheit. Welche geopolitischen Folgen wird die Pandemie haben?

Ivan Krastev: Diese Pandemie markiert vermutlich den wahren Anfang des 21. Jahrhunderts. Aber es ist schwer, die Folgen abzusehen. Wenn wir dieses Gespräch im Mai geführt hätten, hätte ich andere Schlüsse gezogen als jetzt. Länder, die nach dem ersten Lockdown gut dastanden, fielen nach dem zweiten stark zurück. Umgekehrt dürften Staaten wie Großbritannien und die USA, die als Totalversager wahrgenommen wurden, dank der Impfungen rascher als andere aus der Krise kommen.

Aber es gibt ein Land, das durchwegs gut durch die Krise gekommen ist: China.

Südkorea, Japan oder Taiwan haben diese Krise mindestens ebenso gut in den Griff bekommen. Tatsächlich gelang es China, sich nach anfänglichen Vertuschungen des Coronavirus sehr schnell zu erholen. Im vergangenen Jahr ist Chinas Anteil an der Weltwirtschaft gestiegen. Wegen Covid-19 werden sie die USA um drei Jahre früher als größte Volkswirtschaft der Welt ablösen. China profitiert wirtschaftlich von der Krise, aber auch politisch, weil es als erfolgreich wahrgenommen wird. Zudem versucht es, seine Impfstoffe geopolitisch einzusetzen. Im globalen Süden hätte das britisch-schwedische Vakzin AstraZeneca dominieren sollen, doch das Mittel wird nun als problematisch angesehen. Deshalb werden am Ende wohl die Chinesen und Russen ihre Marktanteile erhöhen.

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