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Wonder Woman rechnet mit Donald Trump ab

Wonder Woman 1984
Wonder Woman 1984Warner Bros.
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Nach Ewigkeiten im Corona-Fegefeuer startet der zweite „Wonder Woman“-Film auch bei uns – im Streaming-Abo von Sky. Die Superheldin kämpft darin gegen einen Djinn mit Föhnfrisur. Ein überlanges Fantasy-Spektakel mit Märchenmoral.

Der Lockdown hat unsere Welt kleiner gemacht. Alles, was aus Nähten platzt und über Stränge schlägt, passt nicht mehr hinein. Auch die elefantösen Megablockbuster, die sich unlängst noch auf Kinoleinwänden breitmachten, schmoren im Corona-Wartezimmer. Und wirken zusehends wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Doch langsam geht Hollywood die Geduld aus. Filme, von deren Erfolg ganze Jahresfinanzpläne abhängen, lassen sich nicht ewig zurückhalten. Also wagen die Studios erste Öffnungsschritte. Gehen Kompromisse ein. Und erproben neue Vertriebsmodelle.

Weshalb sich Wonder Woman nun vorzeitig die Ehre gibt. In den USA sprintete die Superheldin bereits im Dezember durch geöffnete Kinos – und über Fernsehbildschirme. Denn Warner Brothers zeigte „Wonder Woman 1984“, dessen Premiere ursprünglich für Ende 2019 avisiert war, parallel zum verspäteten US-Kino-Start auch Abonnenten der hauseigenen Streaming-Platform HBO Max: ein umstrittenes Novum für einen Film dieser Größenordnung.

In Europa hoffte Warner indes auf eine breitflächige Wiederbelebung des Kinobetriebs. Diese lässt allerdings weiterhin auf sich warten. Inzwischen kann man „WW84“ in den USA auch abseits von HBO online ausleihen, und viele, die es nicht erwarten konnten, haben längst andere Sichtungsmöglichkeiten gefunden: Laut dem Blog TorrentFreak machten Downloads des Films am Tag seiner Veröffentlichung knapp zehn Prozent der globalen Film- und Fernsehpiraterie aus. Dass er ab Donnerstag auch im deutschsprachigen Raum legal zugänglich sein wird, und zwar im Abo des Warner-Partners Sky, wirkt fast wie ein Zeitnotentscheid.

Im Grunde ein Film für Kinder

Vielleicht hat es die Hauptfigur ja deshalb so eilig. Am Anfang ihres neuen Abenteuers hechtet sie durch einen Hindernisparcours auf ihrer Heimatinsel Themyscira. Die Prachtpanoramen dieser Eröffnungssequenz wurden mit IMAX-Kameras gedreht, um gigantische Projektionsflächen auszufüllen. Davon hat man zuhause herzlich wenig. Dafür kostet das Leitungswasser nichts.

Bereits als junges Mädchen misst sich Amazonenprinzessin Diana im Wettstreit mit den ganz Großen. Das mutet albern an, ist aber nur folgerichtig: Im Grunde ist „Wonder Woman 1984“ ein Film für Kinder. Und denen muss man ab und zu auf die Finger klopfen. Weil Diana eine Abkürzung nimmt, wird sie von ihrer Mentorin Antiope (Robin Wright) ermahnt: Du sollst nicht schummeln. Lügen haben kurze Beine, ohne Fleiß kein Preis. Da ist sie schon, die Moral von der Geschicht'.

Dann hüpft die Handlung titelgemäß in die 1980er: Ein Jahrzehnt, das unsere Popkultur allem Anschein nach nie wieder verlassen wird. Hier schwingt sich eine erwachsene Wonder Woman (Gal Gadot) mit goldenem Lasso durch farbenfrohe Einkaufszentren und legt Räuberbanden das Handwerk. Szenen, die im besten Sinne kindisch sind: Das hat Esprit, das hat Elan, das ist Comic-Eskapismus alter Schule. Sam Raimis „Spider-Man“ (2002) lässt grüßen, die Ära des brütenden DC-Dunkelgrafen Zack Snyder („Batman v Superman“) sagt leise Servus: Er hält sich hier als Produzent im Hintergrund, Regie führte – wie beim ersten Teil – Patty Jenkins.

Schade, dass es nicht beim unbeschwerten Fangenspielen bleibt. Stein des Anstoßes einer überfrachteten Fantasyhandlung ist ein Zauberkristall, der Wünsche erfüllt. Diana hievt damit unwillkürlich ihren toten Habschi (charmant: Chris Pine) aus dem Jenseits. Den mochten die Leute im ersten Film so gern, und im neuen herrscht ohnehin reine Märchenlogik. Diese verleiht auch einer verdrucksten Wissenschaftlerin (Kristen Wiig) übermenschliches Selbstbewusstsein. Mitsamt der Fähigkeit, in Stöckelschuhen Gleichgewicht zu wahren: Feminismus!

Es gibt auch einen Bösewicht namens Maxwell Lord. Pedro Pascal spielt diesen schmierigen TV-Hochstapler mit erstaunlicher Hingabe. Der Wunderklunker kürt ihn zum Nachfolger des sinistren Djinns aus dem Kulthorrorfilm „Wishmaster“: Er macht die Träume aller Menschen wahr – doch zu welchem Preis? Der Emir von Ägypten (der ebenso gut ein „Sultan von Arabien“ sein könnte) wünscht sich sein altes Reich zurück. Prompt schießt eine riesige Stadtmauer aus dem Boden.

Amazone mit christlichen Werten

Schon klar: Lord ist ein Doppelgänger Donald Trumps. Von der Föhnfrisur bis zum betonten Machergehabe ist die Ähnlichkeit unübersehbar. So offenbart sich „WW84“ als unverblümte Politparabel, in der das Wahre, Gute und Schöne mit gleisnerischem Bauernfängertum ringt. Dessen Verheißungen führen die Welt an den Rand des Zusammenbruchs. Nur reumütige Buße kann ihn abwenden – und die Auswüchse der Ego-Ideologie der Reagan-Ära ungeschehen machen.

Nach dem eher öden Mittelteil eines überlangen Films reißen die zügellosen Pathoskanonaden durchaus mit: Roland Emmerich wäre stolz. Die Ironie? Letztlich geht es dabei um Mäßigung. Weil Wünschen nicht zu trauen ist, wünscht man sich besser nichts und begnügt sich mit dem, was man hat. Triebhaftes Begehren muss gebändigt werden: Keine Abkürzungen mehr, kein Abkommen vom rechten Weg, kein ungeahndetes Fehlverhalten. Wonder Womans Ikonografie mag der antiken Sagenwelt entstammen, doch ihr Wertekanon passt eher zum Christentum. An einer Stelle kämpft sie gegen ein blindwütiges Katzenwesen, bewehrt mit einer ehernen Engelsrüstung. Ist das der moralische Panzer, den sich die US-Kulturindustrie in den Trump-Jahren übergestreift hat? Keine Frage: Er hält Feinde und Missetäter vom Leibe. Aber zum Fliegen ist er eindeutig zu schwer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2021)

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